: Watergate in Wien
Einbruch in Parlamentsbüro der Grünen. Ziel der Täter: Akten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse
WIEN taz ■ Splitter zerbrochener Glastüren bedecken den Boden, die Türen von Aktenschränken sind eingedrückt oder ausgehängt. In der Nacht zum Mittwoch hatten sich unbekannte Täter Zugang zu den Räumlichkeiten der Grünen-Parlamentsfraktion in Wien verschafft. Besonderes Interesse hatten sie an den Büros der Abgeordneten Peter Pilz und Werner Kogler.
Pilz ist Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit der größten Rüstungsbeschaffung der zweiten Republik befasst: dem Ankauf von Eurofighter-Jets. Kogler gehört diesem und einem zweiten Untersuchungsausschuss an. Dort geht es um Banken und Finanzmarktaufsicht. „Habgierig waren sie nicht“, ließ Peter Pilz aus seinem Skiurlaub in Tirol verlauten. Eine neue Digitalkamera auf seinem Schreibtisch sei nicht einmal angetastet worden. Die wirklich heiklen Akten befänden sich an einem sicheren Ort.
Verschwunden, so Kogler gestern, sei eine grüne Flügelmappe von seinem Schreibtisch. Sie habe zwar Dokumente zum Eurofighter-Ausschuss enthalten, jedoch keine Verschlusssachen, sondern Material, das er sich für eine Fernsehdiskussion zurechtgelegt hatte.
Österreich hat bei der Firma Eads 18 Eurofighter bestellt. Damit soll die Luftraumüberwachung sichergestellt werden. Diese Modernisierung der Luftwaffe ist Gegenstand von Untersuchungen, weil trotz Bekenntnis zur Sparsamkeit die teuersten Flieger ausgewählt wurden. Zudem wurde die vom damaligen Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) 2002 getroffene Entscheidung zugunsten schwedischer Saab-Gripen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, ÖVP, und Finanzminister Karl-Heinz Grasser, damals FPÖ, umgestoßen.
Grasser, ursprünglich ein Verfechter der billigsten Lösung, hatte kurz vorher einen Termin mit Eads in Deutschland, zu dem er in einer Maschine des österreichischen Magna-Konzerns geflogen wurde.
Bisher hat der Ausschuss zwar keine Beweise gefunden, dass Schmiergelder geflossen sind, doch die Indizien für Unregelmäßigkeiten häufen sich. Die Arbeit im Ausschuss sei nicht einfach, erzählte Werner Kogler, denn „besonders brisante Akten sind besonders häufig verschwunden oder werden dem Ausschuss nicht übermittelt“. Nächste Woche erreichen die Nachforschungen mit der Befragung von Schüssel, Grasser und anderen Exministern einen Höhepunkt. RALF LEONHARD