Beide Seiten verkünden militärische Erfolge

AUFSTAND Zwischen Rebellen und Gaddafi-Truppen gehen die Kämpfe weiter. Der Westen nimmt Kontakt zu den Aufständischen auf

Nationalrat in Bengasi fordert von internationaler Gemeinschaft eine Flugverbotszone

TRIPOLIS/KAIRO dpa | Die Lage an den Brennpunkten Libyens wird immer unübersichtlicher: Während in Tripolis Anhänger von Staatschef Muammar al-Gaddafi am Sonntag den vermeintlichen Sieg über die Aufständischen in zahlreichen Städten des Landes feiern, werden diese Berichte von der Gegenseite umgehend dementiert.

Mit Freudenschüssen und einem kleinem Feuerwerk feierten Gaddafi-Anhänger kurz vor dem Morgengrauen im Zentrum von Tripolis. Zuvor hatte das Staatsfernsehen die angebliche Rückeroberung schwer umkämpfter Städte wie al-Sawija, 50 Kilometer westlich von Tripolis, oder dem tief im Rebellenland gelegenen Tobruk gemeldet. Zudem hieß es, die Regierungstruppen seien auf dem Vormarsch zur Hafenstadt Bengasi. Am Vormittag strömten Gaddafi-Anhänger auf dem Grünen Platz zusammen. Sie hielten Bilder des Diktators in die Höhe und riefen: „Muammar, Muammar, du bist Libyen!“

Das Regime greift an

Aufständische und Augenzeugen widersprachen den Darstellungen über Rückeroberungen. Ein Mitglied des Nationalrats von Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, sagte dem arabischen Nachrichtensender al-Dschasira, die Gaddafi-Gegner hätten die Stadt weiter fest unter ihrer Kontrolle. Ein Bewohner der Stadt sagte später, dass Truppen des Regimes versuchten, aus dem Westen und Süden in die Stadt vorzudringen.

Im schwer umkämpften al-Sawija gelang es den Aufständischen nach eigenen Angaben, die Gaddafi-Truppen in der Nacht zum Sonntag aus dem Inneren der Stadt zurückzudrängen. Zugleich hätten die Regierungstruppen die Stadt umzingelt. Der Wahrheitsgehalt der widersprüchlichen Behauptungen konnte zunächst nicht überprüft werden.

Auch in Ras Lanuf, das die Rebellen in der Nacht zum Samstag erobert hatten, konnten westliche Journalisten, die dort in einem Hotel übernachteten, am Sonntag zunächst keine Veränderungen erkennen. Später sei Feuer von Luftabwehrgeschützen der Rebellen zu hören gewesen, sagte ein BBC-Korrespondent. Bei Kämpfen in der Nähe der Stadt wurde ein französischer Reporter verletzt, berichtete ein Augenzeuge.

Der ganze östliche Landesteil von Ras Lanuf über Bengasi bis zur ägyptischen Grenze wird weiter von den Gaddafi-Gegnern kontrolliert. In Bengasi konstituierte sich ein Nationalrat, der die Aufständischen politisch vertreten will. Das Gremium forderte die internationale Gemeinschaft umgehend auf, über Libyen eine Flugverbotszone zu errichten, damit Diktator Gaddafi „nicht sein eigenes Volk bombardieren“ kann.

Gaddafi forderte unterdessen eine Untersuchung des Aufstands gegen sein Regime durch eine Kommission der UN oder der Afrikanischen Union. „Wir werden ein solche Gruppe ungehindert arbeiten lassen“, sagte er der französischen Sonntagszeitung Journal du Dimanche. Zugleich machte er, wie schon bisher, „Terroristen“ für die Rebellion verantwortlich. „Ich bin erstaunt, dass niemand versteht, dass dies ein Kampf gegen den Terrorismus ist.“ Weiter sagte er: §Unsere Sicherheitsdienste arbeiten zusammen. Wir haben euch in den vergangenen Jahren so sehr unterstützt.“ Er frage sich, warum ihm niemand im Kampf gegen den Terrorismus helfe.

Acht Briten gefangen

Im Osten des Landes nahmen britische Diplomaten erstmals Kontakt zu den Aufständischen auf. Dabei wurden allerdings nach einem Bericht der Sunday Times bis zu acht Soldaten des Special Air Service, die diese Diplomaten eskortiert hatten, von Rebellen gefangen genommen. Der britische Verteidigungsminister Liam Fox bestätigte im Gespräch mit der BBC nur, dass ein Team von Diplomaten nach Bengasi geschickt worden sei.

Zur Vorbereitung des Libyen-Sondergipfels am kommenden Freitag schickte die EU am Sonntag ein internationales Erkundungsteam in Richtung Tripolis. Die Gruppe soll in den nächsten Tagen prüfen, wie die 27 EU-Staaten die Menschen im Land weiter unterstützen können. Ziel der Mission seien Informationen aus erster Hand, ließ die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Sonntag in Brüssel mitteilen.