: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Der Tierschutz ist als Staatsziel im Grundgesetz verankert – die Rechte der Kinder nicht. Für Heranwachsende sieht es allgemein nicht sonderlich gut aus. Das zeigen Kinderarmut, Bildungsmisere und mangelnder Abschiebeschutz
taz: Was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Deutsche in Afghanistan.
Was wird besser in dieser?
Daum in Köln.
Heute ist der Tag der Kinderrechte. Viele Politiker fordern, die Rechte der Kinder müssten in der Verfassung verankert werden. Was meinen Sie?
Die Aufnahme des Staatszieles „Tierschutz“ in Art. 20 a des Grundgesetzes 2002 war das Produkt massiver Lobbyarbeit. Es drückte eine vollzogene Haltungsänderung der Gesellschaft eher aus, als dass es sie erzwänge. Grundsätzlich wird die Verfassung weder schöner, klarer noch wirksamer, wenn man jeden Lebensaspekt dort regelt – schließlich gilt der Grundrechtekatalog zwangsläufig auch für Kinder. Aber wenn man sich einmal auf die schiefe Bahn des Verfassungsgefummels begibt, landet man halt dort: Das Zwergkaninchen meiner Tochter genießt ausdrücklichen Verfassungsschutz, meine Tochter nicht. Art. 6 GG schützt in Satz 1 „Ehe und Familie“, nichteheliche Kinder wurden später in Satz 5 gleichgestellt; und in Satz 4 setzt es „Schutz und Fürsorge für Mütter“. Die Haltung der Gesellschaft ist aber längst: Kinder, Elternschaft und Familie zu schützen.
Welches Recht ist Ihren Kindern besonders wichtig?
Natürlich alle. Wenngleich die aktuelle Zahl, wonach 16,2 Prozent aller Kinder unter 15 von Hartz IV abhängen, das Thema steigender Kinderarmut besonders dringlich macht.
Die Bundesrepublik und Österreich verhängen als einzige Länder in Europa trotz UN-Kinderrechtskonvention Abschiebehaft gegen Kinder und Jugendliche. Besteht da nicht Reformbedarf?
Da die Konvention in ohnehin butterweichen Wendungen die Rechte der Flüchtlingskinder gleichrangig neben das Recht auf Familienzusammenführung stellt, gibt sie aus sich heraus kein Abschiebeverbot her. Im Gegenteil, Deutschland kann sich auf Familienzusammenführung berufen, wenn es Kinder rausschmeißt. „Als letztes Mittel und für kürzest angemessene Zeit“ erlaubt die Konvention in Art. 37 eben doch Haft gegen Kinder, und Deutschland macht besonders großzügig davon Gebrauch.
Überhaupt schicken deutsche Politiker Ausländer gerne wieder nach Hause. So gestaltet sich auch die Regelung des Bleiberechts für Flüchtlinge schwierig. Spanien, ja selbst die USA sind großzügiger. Wie kommt das?
Vor allem die Union schürt stets die Angst vor der „Einwanderung in die Sozialsysteme“. Da weiß sie, wovon sie redet, nachdem sie über Jahrzehnte Zuwanderung von mehr oder minder Russlanddeutschen organisiert und dann noch eben die komplette Vereinigung missbräuchlich aus der Sozialkasse bezahlt hat.
Am Donnerstag tagt der Bundesverband der deutschen Privatschulen, freut sich über die zunehmende Nachfrage und klagt darüber, wie schwierig es ist, private Schulen zu gründen und zu betreiben. Können Sie behilflich sein?
Klar, indem ich ebenfalls private Polizei und private Armeen fordere. Schafft vermutlich Arbeitsplätze oder so. Das zentrale Ergebnis von Pisa für Deutschland ist, dass schon das staatliche Schulwesen eine brutale Wohlstandsspreizung aufweist und die Kinder klassenabhängig bildet oder verblödet. Privatschulen stehen für das Recht der Besserverdienenden, alle anderen mit dem Problem alleinzulassen.
Die Rüttgers-Vorschläge zum Arbeitslosengeld setzen die SPD in der Debatte um soziale Gerechtigkeit unter Druck. Das hat nicht zuletzt Arbeitsminister Müntefering erkannt. Was können die Sozialdemokraten Rüttgers & Co. entgegensetzen?
Nichts. Der Einsatz für Arbeitnehmerinteressen ist genuine Amtspflicht eines NRW-Ministerpräsidenten. Das entspricht ungefähr der Pflicht zum Fassanstich beim Oktoberfest für Münchner Oberbürgermeister. Müntefering, Clement und vor allem Steinbrück haben ja ausprobiert, wie’s in Düsseldorf ohne läuft. Gerissen wäre, sich plötzlich vorbehaltlos hinter Rüttgers zu stellen und zuzugucken, wie die anderen CDU-MPs neidgeifernd über ihn herfallen.
Muss die SPD nicht allmählich weg von den Schröder-Platzeck-Phrasen à la „der Sozialstaat stößt an seine Grenzen“. Was erwarten Sie da vom neuen Vormann Kurt Beck?
Nicht mehr, als dass er einen Denk- und Diskussionsprozess verwaltet.
Und was macht Borussia Dortmund?
Groß und heldisch die Tat, sich als blauweiße Fans der Unaussprechlichen zu verkleiden, deren Trainer Slomka zum Fanfoto zu bitten und dabei hinter ihm einen Schal mit dem Schriftzug „Scheiß 04“ zu schwenken. Dagegen ist nur kleinkriminell, dass unter der Woche das 50 Meter lange Banner der Südtribüne aus dem Westfalenstadion gestohlen wurde. Für das Derby am 10. 12. scheint alles gerüstet.
FRAGEN: DAH
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