„Alte Technik aus dem Westen hilft nicht“

Die Kritik an China in Umweltschutzfragen ist berechtigt, sagt der Ökologe Wen Bo. Doch die anderen Industrieländer sind mit verantwortlich, dass China in wenigen Jahren zum weltweit größten Produzenten von Treibhausgasen wird

taz: Herr Wen Bo, die Klimakonferenz in Nairobi ist vorbei. Die Delegierten der Industrieländer haben dort erneut China aufgefordert, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen.

Wen Bo: Ja, China ist stark in der Kritik. Aber die internationale Gemeinschaft sollte China beim Klimaschutz stärker einbeziehen statt nur zu kritisieren. So sollten mehr Umwelttechnologien, Managementfähigkeiten und saubere Produktionsverfahren nach China transferiert werden. Wir Chinesen haben erlebt, wie westliche Firmen uns veraltete Technologien brachten. Das hilft dem Umwelt- und Klimaschutz in China nicht. Manchmal hat die Regierung auch den Verdacht, Klimaschutz soll dafür missbraucht werden, um Chinas wirtschaftliche Entwicklung zu verhindern.

Kürzlich hat die Internationale Energieagentur vorausgesagt, dass China bereits 2009 und damit zehn Jahre früher als bisher angenommen zum größten Emittenten von Treibhausgasen wird.

Das überrascht mich nicht. Pro Einheit des Bruttosozialprodukts verbraucht China viel mehr Energie als andere Länder. Alle Produkte aus China, die im Westen zu kaufen sind, enthalten einen hohen Preis für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Deshalb muss die Regierung ihre Verpflichtung zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen endlich verbindlich anerkennen.

China will sich aber international nicht auf Reduktionsziele festlegen lassen.

Die Regierung will jede äußere Begrenzung des Wirtschaftswachstums verhindern, weil es schon heute unter internen Engpässen wie Energie- und Wassermangel leidet. Deshalb argumentiert sie außer mit dem Status als Entwicklungsland auch mit den Emissionen pro Kopf, die in China viel niedriger sind als in Industrieländern. Das ist aber nicht legitim, weil schon die hohe Bevölkerungszahl Chinas natürliche Ressourcen stark unter Druck setzt.

China will bis 2010 zehn Prozent des Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien decken. Ist das realistisch?

Nein, denn ich sehe keinen Wandel zu erneuerbaren Energien, vielmehr sehe ich Versuche, in anderen Weltregionen wie Afrika oder Lateinamerika den Zugang zu nicht-erneuerbaren Energien wie Öl und Gas zu sichern. Jede Investition in dortige Energiequellen zieht Geld ab, das in erneuerbare Energien oder die Steigerung der Energieeffizienz gesteckt werden müsste.

Im Juli hat Chinas Regierung verkündet, in den nächsten fünf Jahren den Ausstoß an Treibhausgasen um 10 Prozent und den Energieverbrauch pro Einheit des Sozialproduktes um 20 Prozent senken zu wollen.

Das ist Wunschdenken. Schon das jetzige Niveau an Emissionen beizubehalten, ist sehr ehrgeizig, wie Chinas Umweltbehörde Sepa selbst einräumt. Es ist gut, den politischen Willen zu zeigen, aber die Implementierung ist in China ein großes Problem.

Zu den Olympischen Spielen 2008 hat Chinas Regierung aber einen blauen Himmel über Peking versprochen.

Das war ein Versprechen, um den Zuschlag für die Spiele zu bekommen. Ihm fehlt aber die Grundlage. Die Vorbereitungen für die Spiele sind sehr ressourcenintensiv. Trotzdem haben die Olympischen Spiele letztlich einen guten Effekt: Chinas Regierung steht im Rampenlicht und muss sich internationalen Standards entsprechend verhalten – und damit ändern.

INTERVIEW: SVEN HANSEN