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Archiv-Artikel

Zündels Anwalt fehlt der Sauerstoff

Im Prozess gegen den Holocaust-Leugner Ernst Zündel hatte Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger gestern seinen großen Auftritt. Er nutzte diesen dazu, den Massenmord an den Juden im Dritten Reich zum Mythos zu erklären

FRANKFURT/MAIN taz ■ Jürgen Rieger ist fassungslos: Das Mannheimer Landgericht gehe doch tatsächlich davon aus, dass der Holocaust „von seriösen Historikern wissenschaftlich erwiesen“ sei. Eben das bezweifelte der Hauptverteidiger des Rechtsextremisten Ernst Zündel (67) gestern in einem mehrere Stunden andauernden Plädoyer.

Rieger, der selbst eine führende Figur unter deutschen Rechtsextremisten ist, erging sich in endlosen Ziffernkolonnen. Die kreisten zumeist um die Zahl der in Konzentrationslagern und Gaskammern im Dritten Reich getöteten Juden. Rund 60.000, „maximal 120.000“ seien zu Tode gekommen. Von millionenfachem und damit in der Geschichte einmaligem Völkermord, könne nicht die Rede sein. Darüber hinaus gab er noch die obligatorische Verschwörungstheorie aus dem Neonazi-Fundus zum Besten: Die Bundesrepublik sitze einer von Juden und US-Propagandisten ausgedachten Geschichtsfälschung als „Holocaust-Religion“ auf, die nicht angezweifelt werden dürfe.

Sein Mandant Zündel, angeklagt in 14Fällen wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, ist für Rieger ein einfacher Revisionist. Zündel habe das Recht auf freie Meinungsäußerung: „Er handelt aus Liebe zum deutschen Volk und weil er dessen Ehre wiederherstellen will.“ Zu diesem Zweck schrieb Zündel auf seiner „Zundelsite“ im Internet und in den „Germania-Rundbriefen“. Er war 2005 von Kanada ausgeliefert worden und sitzt seither in Untersuchungshaft.

Rieger forderte eine „wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Revisionisten“. Dass ein Holocaust mit Millionen Opfern nicht stattgefunden habe, lasse sich an den „Koksrechnungen“ der Konzentrationslager und den Liefermengen des Giftgases erkennen, das zur Entlausung in den Kleiderkammern gebraucht worden sei.

Rieger diskriminierte nebenher KZ-Überlebende als Lügner, die nach Widergutmachungszahlungen gierten, oder als manipulierte Menschen, die sich an technisch nicht mögliche Massenverbrennungen erinnerten. Ein „Tierkadaverversuch“ habe ergeben: „Ein Verbrennen kriegen Sie nicht hin, es fehlt der Sauerstoff!“

Auch Geständnisse von Tätern wollte er nicht gelten lassen. Diese seien gefoltert worden, hätten für vorzeitige Haftentlassungen falsche Geständnisse unterzeichnet oder seien ehrenhalber für die Gräueltaten eingestanden. Um die Ehre war es auch seinem Koverteidiger Ludwig Bock gegangen. Er bezweifelte, dass das Gericht „den Mannesmut vor Königsthronen“ beweisen werde, Zündel freizusprechen.

Nach langem Referat über Zündels Weltbild kam Rieger dann doch noch darauf zu sprechen, wie er einen Freispruch für Zündel erwirken will: Der habe die Website nämlich gar nicht selbst zu verantworten. Sie sei von seiner Ehefrau, der Kalifornierin Ingrid Zündel-Rinland, betrieben worden. Zündel habe dabei wenig zu sagen gehabt und habe er nicht wissen können, dass die Verbreitung seiner Schriften in Deutschland verboten sei. In den USA gebe es ein solches Gesetz nicht. Der Prozess wird am 15. Februar fortgesetzt, das Urteil noch in diesem Monat erwartet. HEIDE PLATEN