: „Ein Wendepunkt im Widerstand“
Ziviler Widerstand kann sehr effektiv sein, meint der Politologe Naji Shurrab
taz: Professor Shurrab, heute gab es zum ersten Mal den Versuch des passiven Widerstands. Glauben Sie, dass dieses Beispiel Schule machen könnte?
Naji Shurrab: Ich glaube, dass der zivile Widerstand sehr effektiv sein kann im Kampf gegen die israelische Armee. Dieses Druckmittel ist besser als alle anderen.
Warum ist passiver Widerstand, der auf mehr internationales Verständnis stößt als Terror, nicht schon früher versucht worden?
Die Widerstandsgruppen verfolgen unterschiedliche Methoden. Das Verständnis, dass Gewalt der palästinensischen Sache schadet und wir internationale Solidarität einbüßen, setzt sich mehr und mehr durch. Ich glaube, dass wir uns in einem Wendepunkt befinden hin zum zivilen Widerstand, was auch deshalb wichtig ist, weil wir kurz vor der Bildung einer Nationalen Einheitsregierung stehen. Die neue Regierung wird jede Unterstützung brauchen von den Palästinensern wie aus dem Ausland, deshalb ist es jetzt sinnvoll, den Israelis keine Rechtfertigung zu liefern für Mord und Zerstörung.
Glauben Sie, dass sich die israelische Armee auf diese Widerstandsform einstellen wird?
Ich bin sicher, dass die Israelis den zivilen Widerstand fürchten. Wenn Zivilisten ihre Häuser und ihr Land friedlich schützen, dann wird die Armee hundertmal nachdenken, bevor sie angreift.
Schon vor zwei Wochen gab es den Fall einer Gruppe palästinensischer Frauen, die militanten Aktivisten die Flucht ermöglichten. Dabei sind zwei Frauen getötet worden. Wie erklären Sie die große Opferbereitschaft der Palästinenser?
Die Palästinenser sehen täglich, wie ihre Kinder getötet und ihre Häuser zerstört werden. Die Opferbereitschaft geht auf die Verzweiflung der Leute zurück. Die Palästinenser wollen in Sicherheit leben und ihre Kinder heranwachsen sehen. Sie sind heute kollektive Opfer, unter denen große Solidarität herrscht.
Sie haben die Nationale Einheitsregierung erwähnt, die offenbar näher rückt. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Die neue Regierung wird Richtlinien verfolgen, die den internationalen Bedingungen entsprechen, also der Gewalt absagen und die bisherigen Abkommen mit Israel akzeptieren. Damit kann die internationale Blockade aufgehoben werden und die schwere wirtschaftliche Not des palästinensischen Volkes wird gelindert. Zum ersten Mal in der palästinensischen Geschichte werden zudem Hamas und Fatah gemeinsam regieren. Auch das ist ein positiver Wendepunkt in dem demokratischen Prozess.
Die Hamas will Israel nicht anerkennen. Das bedeutet, dass auch die internationalen Hilfen weiter eingefroren bleiben. Was nutzt also den Palästinensern diese neue Regierung?
Die Regierung wird die internationalen Bedingungen anerkennen. Anders geht es nicht.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL