: Millionen für die Arbeitnehmervertreter
Die VW-Affäre: Ein Wirtschaftskrimi zulasten von Europas größtem Autobauer geht in die nächste Runde
HANNOVER taz ■ Die Festnahme des Ex-Betriebsratschefs von VW, Klaus Volkert, ist ein neuer Höhepunkt in einer Affäre, wegen der die Staatsanwaltschaft Braunschweig derzeit gegen 13 Personen ermittelt. Offenbar hat sich in den Neunzigerjahren unter Ex-Personaldirektor Peter Hartz im Wolfsburger Konzern ein enges Geflecht des Gebens und Nehmens zwischen Management und Arbeitnehmervertretern entwickelt.
Hartz wurde in der vergangen Woche als erster Beschuldigter angeklagt. Dem Namensgeber der Arbeitsmarktreformen wird Untreue in 44 Fällen vorgeworfen. Im Kern geht es um den Vorwurf, Hartz habe mit den Millionenzahlungen das Wohlwollen der Arbeitnehmervertreter erkauft. Für das Wohlverhalten sah Hartz nicht so genau hin, wenn die VW-Betriebsräte eine Sause machen wollten. Sogar Viagra sollen sich einzelne Betriebsräte von ihrem Arbeitgeber haben bezahlen lassen.
An Betriebsratschef Volkert soll Hartz fast 2 Millionen Euro an „Sonderbonuszahlungen“ angewiesen haben, ohne dass dies bei VW offen gelegt wurde. Weitere 400.000 Euro gingen an die Geliebte des Betriebsratschefs. Die Staatsanwaltschaft spricht von unrechtmäßiger Begünstigung eines Mitglieds des Betriebsrats „um seiner Tätigkeit willen“.
In Kürze werden weitere Anklagen gegen zwei enge Hartz-Mitarbeiter erwartet: den Ex-Personalchef der tschechischen VW-Tochter Škoda, Helmuth Schuster, und seinen Adlatus Klaus-Joachim Gebauer. Beide sollen Schmiergeld verlangt und mit Hilfe von Tarnfirmen Geld auf eigene Konten umgeleitet haben.
Zudem soll Schuster in Indien als VW-Unterhändler für den Bau einer Montagefabrik aufgetreten sein. 2 Millionen Euro „Anschubfinanzierung“ für das Projekt waren über Monate unauffindbar.
All diese Entgleisungen fallen in die Amtszeit des ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch. Bisher gilt dieser nicht als Beschuldigter. Gerade versucht der Porsche-Enkel und derzeitige VW-Aufsichtsratschef, das Ruder bei VW wieder an sich zu reißen: Vor wenigen Tagen hat der 69-Jährige seinen einstigen Mitarbeiter, Audi-Chef Martin Winterkorn, als VW-Vorstand installiert. KAI SCHÖNEBERG