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Archiv-Artikel

S-Bahn überfuhr ein Haltesignal

Der am Montag verunglückte Zug hätte nicht in den Bahnhof Südkreuz einfahren dürfen, sagt die Staatsanwaltschaft. Warum die S-Bahn dennoch nicht stoppte, bleibt unklar. Die Zahl der Verletzten könnte noch steigen. Opfer sollen sich melden

VON DOMINIK SCHOTTNER

Auch einen Tag nach dem schweren Unfall im Bahnhof Südkreuz war gestern unklar, warum eine S-Bahn mit einem Gleismesswagen kollidiert ist. Der Zug war trotz eines Haltesignals in den Bahnhof eingefahren. Warum weder der Fahrer noch ein automatisches Bremssystem reagierten, untersucht nun die Staatsanwaltschaft Berlin. Sie übernahm gestern die Hoheit über die Ermittlungen. Ob und in welchem Umfang menschliches oder technisches Versagen vorliege, sei ungewiss, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald.

Durchgeführt werden die Ermittlungen von der Bundespolizei und dem Eisenbahnbundesamt. Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers sowie Video- und Tonbänder könnten darüber ebenso Auskunft geben wie Zeugen, die befragt werden.

Am Montag war gegen 10.30 Uhr ein S-Bahn-Zug der Linie 25 in einen auf demselben Gleis stehenden Messwagen gefahren. 31 Personen hatten sich bei dem Unfall leicht verletzt, zwei schwer. Der Sachschaden beläuft sich nach erster Schätzung der Staatsanwaltschaft auf mindestens 100.000 Euro.

In Zeitungsberichten war vermutet worden, es könne weitaus mehr Verletzte geben, die eine Behandlung durch die Rettungskräfte wegen Zeitmangels abgelehnt hatten. Ein kanadischer Tourist etwa sagte dem Tagesspiegel, er müsse den Zug nach Leipzig erreichen, obwohl „der Rücken schmerzt“ und er sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen habe.

S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahler sicherte zu, dass sich Opfer des Unfalls, die nicht von den Rettungskräften als verletzt registriert worden seien, nachträglich bei der Bahn wegen etwaiger Entschädigungen melden könnten. Man behalte sich aber eine Überprüfung der Ansprüche vor.

6 der 33 registrierten Verletzten werden nach wie vor in Krankenhäusern behandelt. Auch die zwei schwerverletzten Männer im Alter von 25 und 30 Jahren sind dabei. Eine Frau liege mit einer Hirnblutung auf der Intensivstation des Benjamin-Franklin-Krankenhaus, sagte eine Sprecherin der Charité. Der Zugführer der S-Bahn konnte hingegen bereits wieder nach Hause gehen. Er steht aber noch unter Schock, sodass er nicht zu dem Unfall befragt werden kann, sagte der S-Bahn-Sprecher. Den Verletzten bietet die Bahn psychologische Hilfe an. In einem Brief habe die Geschäftsführung der S-Bahn allen 33 Geschädigten ihr „Bedauern“ über den Unfall übermittelt, so Gahler.

Geschäftsführer Günter Ruppert warnte gestern im Inforadio vor der Vermutung, die neue, im Bahnhof Südkreuz verwendete Technik sei der Grund für den Zusammenstoß: Man sollte „sehr zurückhaltend sein mit solchen Spekulationen, weil dann eine neue, moderne Technik in Verruf gerät“, ohne die eigentliche Ursache gewesen zu sein.

Gleismesswagen werden zur Überprüfung der Schienenqualität eingesetzt. Per Ultraschallgerät suchen sie die Anlagen nach feinen Rissen ab. Diese können letztlich dazu führen, dass die Schienen brechen. Das bei dem Unfall involvierte Messfahrzeug „Sperry 200“ gehört der Firma Pethoplan, die die Dienstleistung „Gleisüberprüfung“ samt Gerät und Techniker an die Deutsche Bahn verkauft. Die Techniker und der Lokführer werden bei ihrer Arbeit von einem Lotsen der S-Bahn begleitet, der die Streckenführung kennt. So soll sichergestellt werden, dass die Messwagen nicht den Verkehr behindern.

S-Bahn-Hotline: (0 30) 97 44 39 72