: Beben im Museumsdepot
Eigentlich hatte das Kunstmuseum in Bonn einen Leihvertrag bis 2025 für 400 Bilder aus der Hans Grothe-Sammlung. Das Konvolut ist futsch. Man konnte sich mit den neuen Besitzern nicht einigen
VON PETER ORTMANN
Bonn wird um eine weitere Attraktion ärmer. Nein, nicht ein weiteres Ministerium, sondern rund 500 Kunstwerke von Gerhard Richter bis Sigmar Polke verlassen die Stadt. Mit der Sammlung des Duisburger Immobilienmagnaten Hans Grothe verschwindet auch ein wichtiger Teil der Geschichte des Bonner Kunstmuseums seit 1974.
Was ist passiert? Sammler Grothe, der Kunstwerke kauft, wie andere Frühstücks-Brötchen, hat vor zwei Jahren für knapp 50 Millionen Euro einen Großteil seiner Sammlung verkauft, die in seiner Heimatstadt Duisburg im eigens gebauten Museum Küppersmühle und eben dem Bonner Museum lagerten und teilweise ausgestellt wurden. Die 700 Bilder und Skulpturen haben das Ehepaar Sylvia und Ulrich Ströher aus Darmstadt erworben und damit eigentlich auch den Bonner Leihvertrag, der bis 2025 laufen sollte. Der wird nun aufgelöst. „Wir haben seit zwei Jahren mit Rechtsanwälten verhandelt“, sagt Museumschef Dieter Ronte zur taz. Die Sammlung sei aber kunsthistorisch nie weiterentwickelt worden. Die neuen Besitzer wollten dazu Einfluss auf Ausstellungskonzepte haben. Dadurch hätte die Sammlung aber im Museum einen hierarchischen Sonderstatus erlangt, der „wie ein Stein im Magen“ läge. Auch hätten konservatorische Dinge eine Rolle gespielt und Misstrauen sei entstanden. „Das engte alles stark ein, so dass es besser war, auf die Sammlung zu verzichten“, sagte Ronte. Jetzt hätten eben andere Bilder ein Recht darauf, an die Wand zu kommen. Immerhin habe kein anderes Museum so viele frühe Polkes in seinem Besitz wie seines. Und es gebe auch weiter einen Gerhard Richter-Raum.
„Abenteuerlich“, nennt Walter Smerling, Direktor des Museums Küppersmühle, die Argumente. Im Duisburger Innenhafen werden heute Schlüsselwerke der Neuen Sammlung Ströher auf zwei Etagen verwaltet und präsentiert. Das Statement ist nachvollziehbar. Die Erben des Wella-Konzerns in Darmstadt gelten, im Gegensatz zum Baulöwen Grothe, als ruhige Vertreter in der kleinen internationalen Sammlerschar, die mal eben für ein paar Millionen Euro wichtige Werke oder ganze Ausstellungen aufkaufen. „Wir sind stockkonservativ“, sagte Ulrich Ströher als sie 2005 die Bilder von Hans Grothe übernahmen. In ihrer Sammlung habe es nie Videos oder Installationen gegeben.
„Die Verträge sind von den Ströhers in Bonn einhundertprozentig eingehalten worden“, sagt Smerling. Und es gab keine neuen Forderungen an das Museum. Das könne er bezeugen. Er verstehe deshalb die Vorgehensweise der Bonner und ihrer Oberbürgermeisterin Bärbel Diekmann (SPD) nicht. Die Sammlung habe die Geschichte des Museums geprägt. Aber es habe einen Restaurierungsstau gegeben. Ein Großteil der 500 Werke habe nämlich meist im Depot gestanden und die Substanz habe das Museum natürlich erhalten müssen. Nur etwas mehr als 20 Kunstwerke seien in den letzten 30 Jahren gezeigt worden. Auch dass Sylvia Ströher, die Enkelin des Wella-Konzerngründers, Einfluss auf die Gestaltung von Ausstellungen im Bonner Kunstmuseum nehmen wollte, weist Smerling zurück. Es sei immer nur um Dispositionen im Grothe-Vertrag gegangen.
Das riesige Konvolut, darunter wichtige Werke von Georg Baselitz und Gerhard Richter, bleibt zwar am Rhein, wandert aber nach Duisburg ins Museum Küppersmühle. Dort sollen die Werke in den nächsten Jahren ausgestellt werden. Ein Teil kommt aber erst mal wieder ins Depot.