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Archiv-Artikel

Verleger macht ein unmoralisches Angebot

Abfindung oder Gericht? Die frei gestellten Redakteure der Münsterschen Zeitung prüfen das Angebot ihres Verlegers, in eine Auffanggesellschaft zu wechseln. Ansonsten wollen sie vor Gericht für ihre Wiederbeschäftigung streiten

MÜNSTER taz ■ Die siebzehn geschassten MitarbeiterInnen der Münsterschen Zeitung (MZ) beraten heute über das Angebot von Verleger Lambert Lensing-Wolff. „So einfach lassen wir uns sicher nicht abspeisen“, sagt MZ-Betriebsrat Stefan Clauser. Notfalls will er das Verhalten des Verlegers auch vor Gericht prüfen lassen. Sollte ein Richterspruch die bei der MZ gewählte Prozedur als Betriebsübergabe auffassen, bestünde die Pflicht auf Wiederanstellung.

Per E-Mail war den Journalisten eine „Sozialplan ähnliche Vereinbarung“ zugestellt worden. Obwohl der Titel vorausgegangene Verhandlungen suggeriert, handelt es sich nach Auskunft Clausers lediglich um ein einseitiges Angebot des Verlegers. Für den Verzicht auf Kündigungsschutzklagen bietet das Dortmunder Medienhaus eine Abfindung und den Übergang in eine Auffanggesellschaft.

Das Medienhaus Lensing hatte im Januar den Produktionsauftrag für die MZ an eine andere hundertprozentige Tochtergesellschaft mit unter Tarif bezahlten Journalisten vergeben. In einer gestern veröffentlichten Beilage feiert der neue Chefredakteur dies sogar als Schaffung von 20 neuen Arbeitsplätzen.

„Eine gerichtliche Prüfung dieser Praxis ist wünschenswert, sonst macht die noch Schule“, sagt Frank Biermann, Münsteraner Bezirksvorsitzender der Deutschen JournalistInnen Union (dju). Allerdings sei es natürlich die freie Entscheidung jedes einzelnen Betroffenen, mit dieser Offerte umzugehen.

Auf große Gegenliebe stößt sie allerdings nicht. „Dieses Angebot ist eine Frechheit“, sagte ein langjähriger MZ-Redakteur dem Seniorchef Florian Lensing-Wolff bei der Demonstration am Samstag in Dortmund ins Gesicht.

Im Gegensatz zu seinem Sohn hatte der Alt-Verleger sichtlich Mühe, die Loyalität zum eingeschlagenen Kurs zu wahren. „Der alte Lensing-Wolff war ein Haudegen, aber er stand zu seinem Wort“, sagt der ehemalige Betriebsrats-Vorsitzende Bernd Lange. Er hat eine Freistellung mit Kündigungsanfrage bekommen – genau wie zehn weitere Drucker der Ruhr Nachrichten.

Die aktuellen ArbeitnehmervertreterInnen der Ruhr Nachrichten (RN) scheinen dagegen handzahmer zu sein als der Demonstrant. Unter den am Samstag von der Verlagsleitung verteilten Flugblättern befindet sich auch der Name der RN-Betriebsratsvorsitzenden Heike Sonneborn. „Es zählt ja nur Fakten auf, keine Meinungen“, begründet sie ihre Unterzeichnung gegenüber der taz.

„Das ist ein Schlag in die Magenkuhle“, sagt Lange. Er kann nicht verstehen, wie ein Betriebsrat ein Flugblatt unterschreiben kann, das in Fettbuchstaben behauptet, „Niemandem ist gekündigt worden“, wenn er den Antrag zu Massenentlassungen bereits mit eigenen Augen gesehen hat.

Auch der geschasste MZ-Betriebsrat Clauser ist darüber entsetzt, dass die Dortmunder Kollegin sich die Verlegersicht zu Eigen macht, bei der münsterschen Personalrochade hätten ausschließlich Qualitätsmotive eine Rolle gespielt. Die geringere Bezahlung der neuen Newsdesk-Redaktion dürfte aus seiner Sicht ein triftiges Argument gewesen sein.

Im Flugblatt heißt es, Tarifverträge seien „unzeitgemäße Zwänge“. Eine Kampfansage gegen den Flächentarifvertrag unterschrieben von Lambert Lensing-Wolff, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden einer Tarifpartei, und einer RN-Betriebsratsvorsitzenden. Der Vorsitzende des Münsteraner Pressevereins, Werner Hinse, findet für die handzahme Vertretung nur zwei Worte: „Schlicht unsolidarisch.“ RALF GÖTZE