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Archiv-Artikel

Bunter Kampf dem Reihenhaus

Der Umbau des Klinikums Mitte steht noch in den Sternen. Um das dann mögliche Baugebiet nebenan ist bereits das Tauziehen entbrannt – damit nicht wieder nur öde Reihenhäuser entstehen

von Armin Simon

Ihre Horrorvision? Andrea Weiß zögert nicht lange. „Eine Reihenhaussiedlung, ein bis zwei Geschosse, mit Satteldach“, sagt sie. Wie man sie inzwischen fast überall findet, öde im rechten Winkel auf die grüne Wiese gesetzt, zumeist von Immobilienfirmen, die die uniformen Behausungen anschließend gewinnbringend verkaufen. „Die Borgfeld-Wests dieser Republik“, nennt Stadtplaner Martin Karsten diese Siedlungen. Müssen Neubaugebiete so aussehen?

Müssen Sie nicht, sagt Andrea Weiß. Fantasievoller, vielfältiger, individueller könnten sie sein, Altsubstanz integrieren, innovative Wohnformen ermöglichen. Weiß ist Mitglied der FOPA Bremen, der Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen, und dass es auch anders als mit Reihenhäusern geht, will sie auf Bremens größter innerstädtischer Wohnbaufläche beweisen: dem neuen Quartier, das ab 2012 auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Mitte entstehen soll. 1,7 Hektar, in der Südostecke zwischen Friedrich-Karl-Straße und Am Schwarzen Meer, würde das Krankenhaus freigeben, wenn der im so genannten Masterplan für die Bremer Kliniken vorgesehene kompakte Neubau an der St.-Jürgen-Straße Wirklichkeit wird. Es wäre ein Wohnquartier in „einzigartiger Lage“, preist die baupolitische Sprecherin der Grünen, Karin Krusche: eingebettet in ein lebendiges, vielfältiges, kleinteiliges Stadtviertel, ganze zwei Kilometer von der City entfernt.

Mit Unterstützung des Beirats Östliche Vorstadt und gemeinsam mit der Bremer Architektenkammer und anderen hat die FOPA nach Stadtentwicklungs-Vorbildern gesucht. Auf der Beiratssitzung im Bürgerhaus Weserterrassen präsentierte Karsten am Dienstagabend die Ergebnisse: Saarbrücken, Leipzig, Freiburg, Tübingen – alle setzen sie inzwischen auf private BauherrInnen, anstatt die Entwicklung ganzer Quartiere in die Hände so genannter Bauträger zu geben. Und damit das Bauen auch für Menschen mit nicht ganz so dickem Geldbeutel möglich wird, werben sie gezielt für so genannte Baugruppen, Privatpersonen also, die einen Neu- oder Umbau gemeinsam in die Hand nehmen und zum Teil schon bei der Planung des gesamten Viertels mitwirken. Hunderte von Wohneinheiten hat etwa Leipzig auf diese Weise in privater Trägerschaft realisiert – auf hohem Qualitätsniveau.

Dass das Bremer Bauressort in seinem Bebauungsplanentwurf viel Freiraum bei der Detailplanung lässt, begrüßt Karsten ausdrücklich. Dies sei die beste Voraussetzung für ein Modell, bei dem die künftigen BewohnerInnen des Viertels selbst an dessen Gestaltung mitplanen könnten. An privaten InteressentInnen, ist der Stadtentwicklungsexperte überzeugt, mangele es nicht – wenn nur die Rahmenbedingungen stimmten. So müsse die Fläche unbedingt von einer „neutralen Institution“ vermarktet werden, und zwar zum Festpreis und nach Konzept. In Leipzig etwa werden die Grundstücke nur unter Vorbehalt verkauft, bis ein Gestaltungsbeirat die konkreten Planungen für gut befunden hat. Sehr sinnvoll sei zudem, interessierte BauherrInnen und gruppen schon im Vorfeld intensiv zu beraten und miteinander in Kontakt zu bringen.

Die StadtteilpolitikerInnen haben Weiß und Karsten mit ihren Ideen schon begeistert. In ihrer Stellungnahme zum Bebauungsplanentwurf forderten sie neben einem „Beirat zur Qualitätssicherung der Quartiersbebauung“ eine „Entwicklungsagentur“, die Konzept und Grundstücke vermarkten solle, und zwar „bauträgerfrei“. Die Baupolitikerinnen von SPD und Grünen signalisierten bereits Zustimmung.

Klinik-Geschäfsführer Walter Bremermann dämpfte allerdings die Euphorie. Der Senat werde erst Anfang Juli, zwei Monate später als geplant, entscheiden, ob der Klinik-Neubau überhaupt an einen privaten Investor vergeben werde. Lehne er ab, „ist das alles hier gegenstandslos“.