: „Genauso wenig legitimiert wie Gaddafi“
DEUTSCHE HALTUNG Ob Linkspartei, FDP oder Merkel – in Berlin wird der französische Alleingang abgelehnt
BERLIN taz | Die Bundesregierung reagiert skeptisch darauf, dass Frankreich den Nationalrat als legitime Vertretung Libyens anerkannt hat. Aus Merkels Umfeld hieß es, Staaten könnten nur Staaten anerkennen, keine Regierungen. Völkerrechtlich sei die Ankündigung aus Paris daher „nicht relevant“. Das ist die diplomatische Formel, die notdürftig verbirgt, was die Kanzlerin von dem Pariser Solo hält: gar nichts.
Die Bundesregierung sei nicht vorab informiert worden, man habe nur ungefähr gewusst, dass Sarkozy etwas „alleine plant“, hieß es aus Koalitionskreisen.
„Wir sind nicht das einzige Land mit gesunder Skepsis“, sagte Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstagabend nach Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Offen kritisieren will die Bundesregierung Sarkozys jedoch nicht, um doch noch eine gemeinsame Haltung der EU zustande zu bekommen.
Die Skepsis reicht allerdings über EU-Interna hinaus. Merkel ist gegen ein militärisches Eingreifen. Die französische Initiative, so die Befürchtung, kann sich sehr schnell von einer diplomatischen in eine militärische verwandeln. Es sei denkbar, dass Frankreich auf eigene Faust handele und Gaddafis Flugzeuge angreife. Westerwelle und Merkel halten dies für hoch gefährlich. Militärschläge gegen Libyen könnten in Tunesien, dem Jemen und Ägypten antiwestliche Ressentiments wecken. Die Stimmung könne leicht kippen.
Die Oppositionsparteien teilen diese Skepsis. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich kritisiert, dass Sarkozy „den dritten Schritt vor dem ersten macht“. Ein militärischer Alleingang Frankreichs, sagte Mützenich der taz, sei „nicht sinnvoll“. Auch Stefan Liebich, Außenpolitiker der Linkspartei, hält die diplomatische Anerkennung der libyschen Opposition für falsch. „Die Opposition ist genauso wenig legitimiert wie Gaddafi“, so Liebich zur taz.
Der Grünen-Politiker Omid Nouripour versichert, „auf Seiten der Opposition“ zu stehen, hält es aber für „völlig falsch“, diese „ohne Wahlen als legitim anzuerkennen“. Frankreichs Vorgehen sei eine „historische Zäsur“, vergleichbar mit der deutschen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens 1991. Französische Angriffe gegen Gaddafi seien „extrem undurchdacht“. Aber „wenn eine Atommacht mit Militärschlägen droht, müssen wir das ernst nehmen“. STEFAN REINECKE