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Archiv-Artikel

Gasexplosion mit dreckiger Vorgeschichte

Seit Monaten blubbert in Ostjava nach Probebohrungen einer Erdgas-Förderfirma heißer Schlamm aus dem Boden

BERLIN taz ■ Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zum Knall kommen würde. Vorgestern Abend starben bei einer Gasexplosion im Osten der indonesischen Insel Java acht Menschen. Schauplatz war eine Anlage der staatlichen Öl- und Gasfirma Pertamina nahe Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens.

Was wie ein Unfall klingt, hat eine monatelange Vorgeschichte. Im Mai hatte die Firma Lapindo Erdgas-Probebohrungen in der Region unternommen. Kurz darauf begann nahe der Bohrstelle Schlamm aus dem Boden zu blubbern. Die stinkende, heiße Masse schwappte in Häuser, überflutete Felder, machte Straßen unbefahrbar. Mehrere Dörfer hat der inzwischen 450 Hektar große Schlammsee geschluckt und 12.000 Menschen vertrieben. Experten aus aller Welt reisten an, um die Entstehung des Schlammvulkans zu beobachten. Angesichts der Ausmaße befürchten sie ein Absinken des gesamten Gebietes.

Dieser Prozess könnte für die Explosion verantwortlich sein. Dafür spricht die Erklärung der Behörden: „Das Unglück wurde verursacht durch den Bruch eines Rohres, das sich abgesenkt hat“, zitierten lokale Medien einen Polizeisprecher. Die Toten waren Soldaten und Polizisten, die seit Wochen versuchen, den Schlamm umzuleiten.

Spät hatte die indonesische Regierung auf das Desaster reagiert. Erst Ende September wurde das Gebiet zur Katastrophenzone erklärt, da war die Existenz Tausender bereits vernichtet. Lokale Medien berichten, dass Lapindo betroffenen Anwohnern eine Entschädigung von knapp 300 Euro gezahlt habe. Geld erhielt nur, wer sich verpflichtete, keine weiteren Ansprüche gegen Lapindo zu erheben.

In den Genuss einer Schlammlawine kam schließlich auch Sozialminister Aburizal Bakrie. Greenpeace-Aktivisten kippten ihm im September eine Ladung Schlamm vor das Ministerium. Bakrie stammt aus einer der einflussreichsten Unternehmerfamilien Indonesiens, der auch Lapindo gehörte. Inzwischen wurde das Unternehmen verkauft. Für Umweltaktivisten ein Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen. „Die alten und neuen Besitzer sind gute Freunde“, so Chalid Muhammad, Direktor des indonesischen Umweltforums Walhi zur taz. „Die Regierung muss endlich dafür sorgen, dass Unternehmer für den Schaden einstehen, den sie anrichten.“ ANETT KELLER