Eine erste Antwort

Werder Bremen entzückt mit dem 3:0 gegen Ajax Amsterdam seine Fans. Die sportliche Einordnung des Erfolgs gegen die schwachen Niederländer vor dem Derby gegen Hamburg fällt indes schwer

AUS BREMEN JAN ZIER

Ob er drin war, der Ball? „Vollständig“, so wie es die Regeln verlangen? Am Ende ist es einfach egal. Nicht einmal Henk ten Cate mochte sich mehr beschweren, der Trainer von Ajax Amsterdam. „Klare Sache“, sagen die einen. „Auf keinen Fall“, die anderen. Und 35.000 Werderfans im Stadion können sich nicht entscheiden. Die Fernsehbilder bleiben nichtssagend. Alle springen auf, recken die Fäuste. Niemand traut sich jubeln. Bis Schiedsrichter Lucilio Batista das Tor pfeift. Werder führt 2:0, es ist die 54. Minute. „Vermutlich“ war es Naldo, sagt der Stadionsprecher, per Kopf.

„Das erste Tor kam zu früh“, wird Herr ten Cate nach dem Spiel sagen. Ein Flachschuss vom Elfmeterpunkt, in der 48. Minute. Und ebenfalls traf ein Verteidiger: Per Mertesacker. Nach einer Ecke klatscht ihm Torwart Tim Stekelenburg den Ball vor die Füße. „Wir haben innerhalb unserer Möglichkeiten viel gearbeitet“, findet der holländische Trainer, „aber fußballerisch war das einfach zu wenig.“

Es waren eher Möglichkeiten der rustikalen Art. Ajax grätschte, Ajax hielt, Ajax trat. Ein schwacher Abglanz alter Tage. Sie gehören zu jener „Kategorie, in der wir zuletzt auch in der Champions League gespielt haben“, hieß es vor dem Spiel. Der letzte große Erfolg von Ajax liegt zwölf Jahre zurück. International ist der Klub nur noch Mittelmaß.

Keine halbe Stunde ist gespielt, als Olaf Lindenbergh die Gelb-Rote Karte sieht, nach zwei Fouls binnen 3 Minuten. Es ist das erste Mal, dass an diesem Abend im Weserstadion heftiger Beifall aufbrandet. Werder könnte zu diesem Zeitpunkt schon führen. Bereits nach 2 Minuten knallte Naldo einen Freistoß frontal an den linken Pfosten, Miroslav Klose verpasst seine Abstaubergelegenheit, und auch Daniel Jensen scheiterte wenige Minuten später nur knapp, Aaron Hunt ebenso. Schon kommt in der Fankurve der hämische Vergleich mit dem HSV auf. Der kommt Samstag, während Meisterschafts-Konkurrent Schalke in Wolfsburg antritt. Und die Erwartungen sind wieder groß in Bremen. Erinnerungen an Schützenfeste vergangener Tage sind geweckt.

„Das Spiel sagt nichts über die Partie gegen Hamburg aus“, meint Frings. Und dann folgt die bekannte Rede vom Uefa-Cup, vom Nordderby, vom Tabellenletzten, der immer ein schwerer Gegner sei. Zumal nach den letzten Partien. Von Schalke erhielt Werder zu Hause keine Chance und in Stuttgart schon gar nicht. Auch am Mittwoch verhinderte Werder selbst lange Zeit mit allerlei kunstvollen Fehlpässen ein Tor. Aber jetzt – sie können es sich wieder leisten in Bremen – glauben sie. Da kann ein Klose in der 80. Minute, nach sehenswertem Solo, auch mal auf den Torschuss verzichten, da kann stattdessen Diego den Ball an die Latte hämmern. Da kann ein Hugo Almeida in den letzten 10 Minuten die eine und andere Chance vergeben. Aber Frings hatte ja schon lange das 3:0 besorgt.

„Schade, dass es nur drei Tore geworden sind“, findet Werder-Manager Klaus Allofs. „Es waren noch ein paar mehr drin“, sagt Trainer Thomas Schaaf. Aber einer wie er ist ja nie zufrieden, äußerlich jedenfalls, auch wenn er nach dem Spiel genau das formulieren wird. Doch kurz vorher, da stand er noch wild gestikulierend am Spielfeldrand, kommentierte mit einer unwirschen, abfälligen Handbewegung die Arbeit seiner Stürmer. „Oh, wie ist das schön“, singen derweil die Werder-Fans, „so was hat man lange nicht geseh’n“.

Gegen Hamburg wird das nur reichen, wenn Bremen seinen Sturm auch weiterhin nicht an seinen Toren misst, wie Allofs stets betont. Denn der tapfer arbeitende Klose ist von seiner Hinrunden-Form weit entfernt, Hunt auch. Almeida hat bisher nur ansatzweise das erhoffte Niveau gezeigt, an Ivan Klasnic ist gar nicht zu denken. Frank Baumann steht auf der Verletztenliste, dazu möglicherweise Tim Borowski. Doch Allofs will nach den Niederlagen in der Bundesliga „Gelassenheit“ ausgemacht haben, und auch Thomas Schaaf klingt nach ruhiger Analyse: „Wir haben uns vor dem Spiel unterhalten und sachlich die Punkte angesprochen, die in den letzten 14 Tagen nicht gut waren.“

Amsterdam war an diesem Abend schlicht überfordert. Eine gute Gelegenheit also, „eine klare Ansage“ zu machen, wie Mertesacker das nennt, eine „erste Antwort“ zu geben „an all jene, die uns schon abgeschrieben haben“. Wohlgemerkt: eine „erste“ Antwort.