: Umgang mit dem Prügelvater umstritten
Scheidungskinder mit gewalttätigen Vätern werden oft zum Umgang mit dem Erzeuger verdonnert – gegen ihren Willen. Frauenhäuser wollen das ändern. Gerichte sollen sensibler mit Kindern umgehen. „Umgangsrecht auch mal aussetzen“
VON HEIDE OESTREICH
Er hat sie verprügelt, er hat sie bedroht, er droht immer noch: Frau M. ist mit ihren Kindern ins Frauenhaus geflohen. Nun aber lässt der Vater wissen: Er will die Kinder sehen. Er hat ein Recht auf Umgang. Die Kinder weigern sich. Das Gericht ordnet den Umgang an. Die Kinder bekommen hohes Fieber, wenn die Termine nahen. Die Mutter will das nicht länger mitmachen. Daraufhin meint das Gericht, sie sei offenbar nicht fähig zu kooperieren, das Sorgerecht solle ihr daher entzogen werden.
Irgendwas stimmt hier doch nicht. Das meinen vor allem die Frauenhäuser in Deutschland, die dieses Beispiel in ihren Informationsblättern verwenden. Seit gestern machen sie mit einer Plakatkampagne gegen das Umgangsrecht für Gewalttäter mobil.
Seit das Kindschaftsrecht Sorge- und Umgangsrecht nach einer Trennung gleichmäßiger auf beide Elternteile verteilte, häufen sich die Fälle, in denen dem Umgang mit dem Vater alle anderen Interessen untergeordnet werden, klagen die Frauenhäuser: „Die Hürde, das Umgangsrecht vielleicht auch einmal auszusetzen, ist extrem hoch geworden“, schildert Sozialpädagogin Tanja Brückmann vom Frauenhaus Kassel die Erfahrung ihrer Kolleginnen. Das Gericht prüfe, ob vom Vater eine „konkrete gegenwärtige Gefährdung“ ausgehe, und wenn dieser beteuere, er wolle sich bessern, dann ordne das Gericht in der Regel den Umgang an.
Sei sich das Gericht nicht sicher, werde „begleiteter Umgang“ verfügt, bei dem ein Sozialarbeiter anwesend ist. Doch auch damit haben die Frauenhaus-Bewohnerinnen keine guten Erfahrungen gemacht: „Es sind oft nur wenige Termine, die Perspektive soll sein, dass der Umgang unbegleitet stattfindet. Diese Perspektive ist im Fall von Vätern, die ab und zu einen Gewaltausbruch haben, nicht sinnvoll“, erklärt Brückmann.
Auch beim Kinderschutzbund sieht man die Entwicklung mit Sorge. Familientherapeut und Pädagoge Lothar Steurer, einer der Experten für Trennungskinder, schaut kritisch auf die Umgangsurteile der vergangenen Jahre: „Im Moment ist die Haltung: ‚Umgang ist immer gut‘, egal was vorher war“, hat er beobachtet. Früher habe man dem väterlichen Umgang gar kein Gewicht beigemessen, jetzt dagegen „schlägt das Pendel in die andere Richtung aus“. Zum einen müsse man sehr genau hinsehen, wann ein Kind retraumatisiert werden könne, daran hapere es im Moment. Zum anderen aber seien auch gewaltbetroffene Mütter verstärkt in Gefahr: „Da hat der Gewalttäter vielleicht ein Näherungsverbot, aber bei der Übergabe des Kindes trifft er doch auf die Mutter. In 20 Prozent dieser Fälle kommt es dann wieder zu Drohungen oder Übergriffen. Davor kann man nicht die Augen verschließen“, meint der Pädagoge. In die Presse gelangten einige Fälle, in denen Väter Kinder oder Frauen bei solchen Treffen verletzten oder sogar töteten.
Auch der Familienrichter Hans-Heinrich Rotax vom Deutschen Familiengerichtstag meint: „Der Willen des Kindes – egal wie er zustande gekommen ist – wird in der Praxis ein bisschen zu wenig beachtet. Man muss da etwas genauer hinsehen.“
Das Kindschaftsrecht wollen die Frauenhäuser nicht wieder ändern, das räumt einem Richter nämlich durchaus den Spielraum ein, den Umgang auszusetzen. Sie möchten vor allem, dass Gerichte sensibler mit den oft traumatisierten Kindern umgehen.
Doch ein weiteres Rechtsvorhaben der Bundesregierung führt eher weiter weg von diesem Weg. In der großen „Reform des Verfahrens in Familiensachen“, die für 2009 geplant ist, sollen in der Trennungsphase vor allem „einvernehmliche Lösungen“ gefunden und Väter und Mütter gemeinsam angehört werden. Für traumatisierte Frauen und gewalttätige Männer sind keine Ausnahmen vorgesehen. Zudem kann die Mutter für die Nichtherausgabe ihrer Kinder in Zukunft bestraft werden.
Dieses Vorhaben verstärke die Tendenz, dem Umgangsrecht des Vaters alle anderen Probleme unterzuordnen, meinen die Frauenhaus-Vertreterinnen. Ihre Bedenken haben sie bereits bei Justizministerin Zypries angemeldet. Die aber vertraut durchaus auf das Augenmaß der Richter. Die Sorgen der Frauenhäuser seien „unbegründet“.