Die Geldbörse bleibt heute zu

Konsumkritiker rufen bereits zum dritten Mal zum „Kauf-Nix-Tag“ auf

Heute ist der „Buy Nothing Day“. Noch nie davon gehört? Dann gehören Sie wohl keiner konsumkritischen Bewegung an. Menschen in mehr als 60 Ländern boykottieren den Konsumterror jedes Jahr am letzten Samstag im November, sagt William Miller, der den deutschen „Kauf-Nix-Tag“ vor drei Jahren gründete.

Das leckere Käsebrötchen beim Bäcker links liegen lassen, die Schuhe zum halben Preis ignorieren – und warum das Ganze? „Weil wir durch unsere Konsumgeilheit unseren Planeten kaputt machen“, sagt Miller. „Ein Viertel der Menschen konsumieren drei Viertel aller Güter – kann das gerecht sein?“, fragt der Konsumkritiker. Die Idee kommt aus den USA. Hier veranstaltete die kanadisch-amerikanische Initiative Adbusters vor 12 Jahren den ersten Buy Nothing Day, am Tag nach Thanksgiving, dem kaufintensivsten Tag des Jahres in Nordamerika.

Nicht nur das Berliner Jugendnetzwerk „Narra“ ruft dazu auf, die Geldbörse am heutigen Samstag fest zuzuschnüren. Bundesweit sollen heute Demos in Kaufhausnähe stattfinden. In Leipzig etwa wollen Konsumkritiker und Greenpeace in der Innenstadt zum Nichtkaufen und Kreditkartenzerschnippeln aufrufen. Miller findet diese Aktionen aber gar nicht so wichtig: „Nicht shoppen reicht schon“. Für seinen Konsum sei schließlich jeder selbst verantwortlich.

„Wir müssen 365 Tage im Jahr bewusst und nachhaltig konsumieren, nicht nur einen Tag“, meint Christian Fronczak vom Bundesverband Verbraucherzentrale. Er nennt Kunden gerne „Weltpolitiker am Ladentisch“: Nur wenn Kunden soziale und ökologische Bedingungen des Produktes in die Kaufentscheidung einfließen lassen, handeln Konzerne danach, erklärt der Verbraucherschützer. Um dem Kunden dies zu vereinfachen, „arbeiten die Verbraucherzentralen ständig an besseren Kennzeichen für Produkte“.

Politiker atmen derzeit auf, weil die Kauflaune der Deutschen endlich die Wirtschaft anschiebt, Shopping rund um die Uhr ist seit dem gekippten Ladenschluss in greifbarer Nähe. Ist der Konsumboykott nicht längst gescheitert? „Er hilft nicht viel, die Erde ist sowieso schon eine europäisch-amerikanische Müllhalde“, sagt Miller trotzig. Trotzdem habe jeder Einzelne die Entscheidung, ob er am Konsumwahn teilnimmt oder nicht.

Dass es die Wirtschaft zerstöre, wenn weniger Geld über die Ladentheke geht, hält er für „großen Mist“. Er sagt: „Wir zerstören die Natur, wenn wir so weitermachen“, sagt er kampfbereit.

Wer sich den Konsumkritikern heute anschließen will, muss auf das wöchentliche Ritual, samstags einkaufen zu gehen, verzichten. Und nicht nur das: Cola und Zigaretten sind tabu – und die Stiefel im Sonderangebot dürfen auch nicht bis Montag zurückgelegt werden.

MAIKE BRZOSKA