: Übelkeit und Missgunst
BILDERBUCH Starke Bilder von vermeintlichen Ungeheuern: Die Kinderbücher „Die Monster sind krank“ und „Schon gehört?“
VON EVA-CHRISTINA MEIER
Monster unter dem Bett sind so lästig wie Läuse, Windpocken und Nasenbluten, jedoch in der Kindheit kaum zu vermeiden. Vielleicht ist es da ein kleiner Trost zu erfahren, dass es auch Ungeheuern richtig schlecht gehen kann und sie sich manchmal hundeelend fühlen.
In dem Bilderbuch „Die Monster sind krank“ lässt sich gut nachschlagen, welche Maleschen Hexen, Vampire, Riesen und Yetis quälen – Läuse, Depressionen, Bandwürmer, Zahnweh oder Stinkfüße. Auf fünfzehn detailreich versponnenen Porträts hat die Schweizer Illustratorin Emmanuelle Houdart diese bemitleidenswerten Wesen und ihre Beschwerden festgehalten und gleichzeitig den von ihnen ausgehenden Schrecken im Bild gebannt.
Die Beschreibungen der verschiedenen Symptome und deren Behandlungsmöglichkeiten stehen den ganzseitigen, farbenprächtigen Zeichnungen von den Kranken gegenüber – mit deren visueller Präsenz können diese begleitenden Texte allerdings nicht mithalten.
Oft wirkt ihr überdrehter Witz zu albern, die Ironie zu bemüht und die Trennung zwischen Spaß und Ernst verwirrend. Über Windpocken heißt es dann: „Aufgrund sorgfältiger Forschung ist die Wissenschaft heute davon überzeugt, dass diese Krankheit auf übertriebenes Fernsehen zurückzuführen ist.“ Und von den Symptomen kann man lesen: „Unter irrem Kichern feilt er nun seine Nägel spitz, um sich besser kratzen zu können.“ Und gegen Schlafwandeln soll sowohl Baldrian als auch eine kitzelnde Schwanenfeder helfen.
Doch Houdarts fantasievolle Zeichnungen machen diese Krankenfibel trotz seiner Textschwächen zu einer Mut einflößenden Lektüre, um es mit der eigenen Angst und möglichen Geistern unterm Bett aufzunehmen. Bereits 2005 wurde das Kinderbuch mit dem Preis der Kinderbuchmesse in Bologna ausgezeichnet und erschien 2006 erstmals auf Deutsch. Nun wurde es neu aufgelegt.
In dem grafisch sehr gelungen gestalteten Bilderbuch „Schon gehört?“ geht es um ganz andere Ungeheuer. Hier verwandelt sich ein schlafender Flamingo allein durch die üble Nachrede eines Storchs und die Übertreibungslust der zufällig vorbeifliegender Vogel-Nachbarn innerhalb weniger Seiten zuerst in ein rücksichtsloses Schwein, dann in einen habgierigen König, einen brutalen Tyrannen und zum Schluss scheint sogar durch ihn der Weltuntergang bevorzustehen.
Spatz, Ente, Reiher, Gans und Papagei nehmen sogleich Reißaus. Der Storch fühlt sich dadurch noch mehr in seinen Ressentiments bestätigt, doch hat er das Opfer seiner mutwilligen Unterstellungen wohl unterschätzt. Sein Fehler.
Wie schon zuvor in „Das Gold des Hasen“ (2013) greifen der Autor Martin Baltscheit und die Illustratorin Christine Schwarz auch in ihrem neuen gemeinsamen Kinderbuch „Schon gehört?“ das Format der Fabel auf, um mit Tiergestalten und sehr pointiert von durch und durch menschlichen Schwächen zu erzählen. Mit wenigen knappen Sätzen, typografisch wirkungsvoll inszeniert nimmt ein Gerücht seinen Lauf.
So nimmt ein friedlich schlafender rosa Flamingo durch die aufgeheizte Gerüchteküche und die wetteifernde Vorstellung seiner Nachbarn schließlich die Gestalt eines furiosen, wütenden, roten Feuerdrachen an. Dabei erinnert die als Farbverlauf gekonnt von Christine Schwarz auf Papier gebrachte Metamorphose des Flamingos zuweilen an die unendlich wandelbaren, bunten Fantasiewesen in „Kunterbunter Schabernack“, dem Kinderbuchklassiker von 1969.
■ Emmanuelle Houdart: „Die Monster sind krank“. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2014. 36 Seiten, gebunden, 12,95 Euro.
Ab 5 Jahre
■ Martin Baltscheit (Text), Christine Schwarz (Illustration): „Schon gehört?“. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2014. 40 Seiten, gebunden, 13,95 Euro.
Ab 5 Jahre