: Visionen sind praktisch
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Wie im vergangenen Jahr mit der „Neuen Alten Mitte“, so hat auch der Schinkel-Wettbewerb 2011 seinen Fingerzeig auf ein umstrittenes städtebauliches Feld in Berlin gelegt: das Areal der Technischen Universität (TU) und seine Rolle im Zusammenhang mit der Entwicklung in der City West. Der Entwurf der beiden Preisträger mit ihrer fliegenden Ost-West-Achse samt Campus der Zukunft ist eine kühne Vision – und natürlich überhaupt nicht realisierbar. Die praktische Umsetzung war jedoch noch nie ein Maßstab von Schinkel-Wettbewerben. Vielmehr sollten sie Fragen stellen und Werkstatt der Ideen sein, die nötig sind für vernachlässigte Areale in der Berliner Stadtentwicklung. Das hat der diesjährige Wettbewerb recht gut erfüllt.
Planung statt Investitionen
Es ist kein Geheimnis, dass die City West bis hinüber zum Ernst-Reuter-Platz Stadtplanung bitter nötig hätte. Zwar drehen sich Kräne vor Ort, die TU spielt im akademischen Wettbewerb mit. Dennoch gewinnt man derzeit den Eindruck, die City West existiert nur noch als betriebswirtschaftliche Größe. Was zählt, ist Investition, sind die Shops im neuen Bikinihaus, die Luxussuiten im Astoria, die Events im umgebauten Kino Zoopalast, die Einkaufsmall im Ballymore-Ku’damm-Karree.
Dass all dies kontrovers in der Öffentlichkeit debattiert wird, hat die Stadtplanung bisher wenig interessiert. Ein zukünftiges Bild – eine Formel, wie es früher der „Ku’damm“ samt „Berliner Mischung“ war – der City West fehlt ihr. Dies jetzt planerisch, baulich und gesellschaftlich zu suchen ist die Aufforderung, die hinter dem Ideenwettbewerb steckt. Für einen solch praktischen Vorschlag darf man dann schon mal Visionen haben.