: Gängige Praxis an deutschen Gerichten
RECHTSLAGE Die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage ist kein Sonderrecht für Reiche. Die müssen aber mehr zahlen als Arme
FREIBURG taz | Noch ist die Einstellung des Ecclestone-Prozesses nicht beschlossen, schon brodelt die Empörung. Heribert Prantl, Inlandschef der Süddeutschen Zeitung, spricht von einer „Perversion des Perversen“. Die „ohnehin fragwürdigen“ Regeln eines Deals im Strafverfahren würden „noch einmal gedehnt, verdreht, verzerrt und verbogen“. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone könne sich „gegen ungeheuer viel Geld freikaufen“. Prantl, ein entschiedener Gegner der abgesprochen Strafurteile, stört sich also daran, dass hier nicht einmal ein Urteil abgesprochen wird, sondern dass das Verfahren ganz ohne Urteil eingestellt werden soll.
Tatsächlich liegt hier keine „Verständigung im Strafverfahren“ vor, wie der „Urteilsdeal“ offiziell heißt. Denn bei einer solchen Verständigung, die seit 2008 in der Strafprozessordnung geregelt ist, wird dem Angeklagten ein mildes Urteil in Aussicht gestellt, wenn er ein Geständnis ablegt. Bernie Ecclestone hat aber überhaupt nicht vor, zu gestehen, weil er sich für unschuldig hält. Ein Urteilsdeal ist also nicht möglich.
Geplant ist vielmehr eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung. Diese Vorschrift gibt es schon seit 1974. Sie ermöglicht es, Prozesse zu vermeiden oder abzukürzen, indem das Verfahren gegen eine Auflage eingestellt wird. Der Gesetzgeber, der die Justiz entlasten wollte, geht davon aus, dass bei Befolgung der Auflage „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ beseitigt wird. Möglich ist dies bei einfacher und mittlerer Kriminalität, nicht aber bei Verbrechen wie einem Mord.
Als Auflage wird meist die Zahlung eines Geldbetrags an die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung bestimmt. Die Einstellung ist kein Freispruch, der Angeklagte ist aber auch nicht verurteilt. Beide Seiten haben so das Gesicht gewahrt.
Meist wird die Einstellung gegen Geldauflage schon vor Anklageerhebung beschlossen. Sie ist jedoch auch während eines laufenden Prozesses noch möglich, wenn zum Beispiel – wie hier – die Beweisaufnahme nicht so glatt läuft, wie die Staatsanwaltschaft sich dies vorgestellt hat. Der Ecclestone-Prozess hätte sich wohl noch Monate hingezogen, mit unklarem Ausgang.
Die Einstellung gegen Geldauflage ist kein Sonderrecht für Reiche, sondern wird in Deutschland rund zweihundertausendmal pro Jahr angewandt, auch bei vielen armen Schluckern. Bei Reichen ist nur die Geldauflage entsprechend höher.
Dennoch gibt es Kritik an der Höhe der Geldauflage für Ecclestone. Der Formel-1-Boss erhalte allein von seiner geschiedenen Exfrau, der er in den 90er Jahren seine Reichtümer überschrieben hatte, jedes Jahr Unterhalt in Höhe von 100 Millionen Dollar. Außerdem gehörten ihm schon wieder rund 5 Prozent Anteile an der Formel 1, die rund 500 Millionen Dollar wert sein sollen. Wenn er nun 100 Millionen Dollar an die Staatskasse zahlen muss, belaste ihn das nicht wirklich.
Die Höhe der Geldauflage wird am Dienstag das Landgericht bestimmen. CHRISTIAN RATH
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