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Archiv-Artikel

Am Ende geht es wieder um Millionen

SCHMIERGELD Der Prozess gegen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone könnte heute vorschnell zu Ende gehen – mit einer Geldauflage in Rekordhöhe. Es war unklar, ob die Beweislage für eine Verurteilung ausreicht

„Sonst wäre ich im Alter von 76 Jahren womöglich bankrott gewesen und ohne eine Armbanduhr dagestanden“

BERNIE ECCLESTONE ERKLÄRT, WARUM ER AUF ANGEBLICHE ERPRESSUNGEN EINGANGEN SEIN WILL

VON TOBIAS SCHULZE

BERLIN taz | Mit dem Speiseplan des Münchner Strafjustizzentrums kennt sich Formel-1-Boss Bernie Ecclestone mittlerweile aus. Seit Ende April erscheint er zweimal pro Woche vor dem Landgericht München I und in den Pausen lässt er sich hin und wieder in der Cafeteria im Erdgeschoss blicken. Einmal bestellte er Blaubeermuffins und Espresso, auch die Leberkässemmeln sind nicht die schlechtesten.

Trotzdem wird sich Ecclestone nicht beschweren, sollte er am Dienstag tatsächlich zum vorerst letzten Mal am Stiglmaierplatz einkehren: Am Vormittag könnte der Bestechungsprozess gegen den Motorsport-Manager gegen eine Millionenzahlung eingestellt werden. Ecclestone würde somit einer möglichen Haftstrafe entgehen.

Medienberichten zufolge sollen sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft bereits darauf geeinigt haben, das Verfahren gegen eine Zahlung von 100 Millionen Dollar (rund 74,5 Millionen Euro) zu beenden. Das letzte Wort haben nun die Richter. Dass sie ihre Entscheidung schon am Dienstag verkünden, gilt als wahrscheinlich. Die ursprünglich vorgesehen Zeugen hat das Gericht bereits ausgeladen.

In einem der spektakulärsten Schmiergeldprozesse der vergangene Jahre hatte die Staatsanwaltschaft Ecclestone wegen Bestechung eines Amtsträgers und Anstiftung zur Untreue angeklagt. Im Mittelpunkt stand dabei eine Überweisung des 83-Jährigen an Gerhard Gribkowsky, ehemals Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesbank (BayernLB). Die Summe: 44 Millionen Dollar. Die Zahlung bestritt der Angeklagte nicht, um Schmiergeld habe es sich aber nicht gehandelt. Vielmehr habe Gribkowsky ihn mit Informationen über heikle Steuertricks erpresst. Aus Angst vor möglichen Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe will Ecclestone das Geld überwiesen haben. „Sonst wäre ich im Alter von 76 Jahren womöglich bankrott gewesen und ohne eine Armbanduhr dagestanden“, sagte er vor Gericht.

Landesbanker Gribkowsky präsentierte dem Gericht eine komplett andere Version. Die BayernLB besaß seit der Pleite des Kirchkonzerns im Jahr 2002 Anteile an der Formel 1. Gribkowskys Aufgabe war es, sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Ecclestone fürchtete zu diesem Zeitpunkt um seinen Posten. Um seinen Job zu sichern, habe er den Bankmanager bestochen: Der sollte die Anteile demnach an einen Investor verkaufen, der Ecclestone wohlgesinnt war.

Zuschlag nach Zahlen

„Tell me a number“, sag mir eine Zahl, habe der Formel-1-Boss kurz vor den entscheidenden Verhandlungen in einem Vier-Augen-Gespräch zu Gribkowsky gesagt. Den Zuschlag erhielt im Jahr 2005 tatsächlich ein Investor, den sich Ecclestone gewünscht hatte. Grund dafür, so Gribkwosky: die 44 Millionen Dollar.

Das behauptete der ehemalige Bankmanager bereits vor zwei Jahren, als er selbst wegen Bestechlichkeit auf der Anklagebank saß und ein Geständnis ablegte. Damals sah es das Landgericht München als erwiesen an, dass die Millionenüberweisung als Schmiergeld gedacht war. Richter Peter Noll verurteilte Gribkowsky zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren.

Nun heißt der Richter wieder Peter Noll. Einerseits ein schlechtes Zeichen für Ecclestone: Warum sollte Noll seinem Urteil aus dem Jahr 2012 widersprechen? Andererseits sieht die Strafprozessordnung vor, dass in einem neuen Prozess jeder Beweis neu abgewogen und jeder Zeuge neu vernommen wird. So auch Gribkowsky, einst Angeklagter und nun Kronzeuge.

Zweifelnder Richter

Das Gericht vernahm ihn im Mai tagelang und stieß dabei auf Ungereimtheiten. Einmal erzählte Gribkowsky, wie er am Rande eines Termins mit Ecclestone einen Umschlag auf dessen Schreibtisch platziert habe. Gefüllt mit Informationen über Ecclestones Steuertricks? An den Inhalt wollte sich Gribkowsky nicht erinnern. „Da kommen Zweifel auf“, sagte Noll.

Außerdem ist Bestechung in Deutschland nur strafbar, wenn der Geschmierte ein Amtsträger ist. Im ersten Prozess spielte diese Frage keine Rolle, nun ist sie zentral. Wenn Ecclestone nicht wusste, dass Gribkowsky als Vorstand einer Landesbank Amtsträger war, kann er nicht wegen Bestechung verurteilt werden. Zeugen berichteten zwar, dass der Formel-1-Boss Mitarbeiter der BayernLB als „civil servants“ verspottet haben soll – als Staatsdiener also. Ob er tatsächlich wusste, dass Gribkowsky als Amtsträger zählt, ist bis dato aber unklar.

Der Staatsanwaltschaft dürften daher in den vergangenen Wochen Zweifel gekommen sein, ob die Beweislage letztendlich für eine Verurteilung ausreicht. Womöglich ist sie deshalb auf das Verhandlungsangebot der Verteidigung eingegangen – auch wenn Ecclestone dadurch ohne Vorstrafe davonkommt.