AUF DER SCHLESISCHEN : Asis und Alte
Am Kotti steigt ein Mensch in die U-Bahn, ob Mann oder Frau, ist unklar. Ein kleiner, ausgemergelter Mensch mit zerstochenen Ärmchen und zugeschwollenem Gesicht, er schwitzt am ganzen Körper, steht gekrümmt und hält sich mit einer Hand an der Stange fest. In der anderen hat er eine Leine, und an deren Ende sitzt ein Hund mit wachen Augen.
Alle beobachten den kleinen Menschen, der im Stehen einzuschlafen scheint und sich immer grotesker krümmt, bis die Bahn einen Schlenker macht. Er knallt mit dem Kopf an die Stange und richtet sich etwas auf. „Det tut mir so leid für dit Tier“, sagt eine Frau und tätschelt den Hund. „Kannst nüscht für, det de so ’n Asi-Herrchen hast, wa?“ Dann steht jemand auf, der kleine Mensch lässt sich auf den freien Platz fallen, und ich steige aus.
Auf der Schlesischen ist die Hölle los. So viele Bärte, so viele Smartphones, so viele volle Tische vor indischen Restaurants. Es stimmt also doch, ich war die letzten Jahre einfach zu selten hier. Als ich das letzte Mal in der Falckensteinstraße Eis gegessen habe, war da außer dem Eisladen nichts. Kann das wirklich sein?
Einer taumelt mir entgegen, er raucht und bläst eine kleine Wolke in die Luft, genau an die Stelle, wo kurz darauf mein Kopf ist. Weiter hinten schraubt eine Gruppe Roma, vielleicht von der Cuvry-Brache, eine Stange von einem Baugerüst. Ein deutsches Paar hockt an einem Tischchen, trinkt Flaschenbier und raucht, dazwischen sitzt das Kind im Buggy.
„Gute Idee, sich hier zu treffen“, sagt N., als wir im White Trash sitzen, „jetzt weiß ich endlich mal, wo die ganzen jungen Leute hingehen.“ Sie wohnt auf der anderen Seite von der U-Bahn, in der Köpenicker, da geht es erst los. „Ach komm“, sage ich, „so alt sind wir doch auch noch nicht.“ Als sich zwei Tische Ulrich Meyer, SAT.1-Meyer, mit seiner Entourage niederlässt, fühlt sich diese Behauptung sogar richtig an. CLAUDIUS PRÖSSER