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Archiv-Artikel

Das Elend des Mittelbaus

KARRIERE Die Bremer Arbeitnehmerkammer legt Zahlen zum wissenschaftlichen Prekariat vor

Nur 50 Prozent der derzeitigen Professorinnen haben es geschafft, parallel zur Karriere Kinder zu bekommen

Wer unbefristet an einer Uni arbeiten will, muss Hausmeister oder Professor werden. Zugespitzt und nur leicht verzerrt ist dies das Ergebnis verschiedener Studien, die derzeit veröffentlicht und gestern auch in Bezug auf die Bremer Hochschullandschaft bekannt gegeben wurden. Dort sind 88 Prozent des wissenschaftlichen Mittelbaus mit Zeitverträgen beschäftigt – noch mal fünf Prozent mehr, als die Hochschul Informations System GmbH (HIS) gerade bundesweit errechnet hat.

Gleichzeitig hat sich der Anteil der Mittelbauer in den Hochschulen deutlich erhöht: Sie stellen mittlerweile drei Viertel aller Beschäftigten. Seit 2000 wurden an der Bremer Uni 60 Professuren gestrichen und 500 Mittelbau-Stellen eingerichtet – wobei es sich eben nicht um die guten alten akademische RätInnen oder C 1er (Assistenten) handelt. Diese mittlerweile fast ausgestorbenen Spezien formten bis vor rund 15 Jahren den soliden Mittelbau der Hochschulen. Jetzt müssen befristet Beschäftigte die seit Bologna-Prozess und Exzellenz-Initiativen vervielfachten Aufgaben der Unis bewältigen.

Zur Befristung kommt die Teilzeit: Im Durchschnitt, das hat Marion Salot von der Bremer Arbeitnehmerkammer ausgerechnet, werden die hiesigen Mittelbauer auf Basis einer 46,9 Prozent-Stelle bezahlt. Im Jahr 2000 lag das durschnittliche Stellenvolumen noch bei 54,7 Prozent. Und das, obwohl Bremen mit Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland ist, das im selben Zeitraum seine Personalmittel aufgestockt hat.

Für die Lebensplanung der Betroffenen hat das gravierende Folgen. Ingo Schierenbeck von der Bremer Arbeitnehmerkammer bringt nicht nur zögerliche Familiengründungen, sondern auch eine „abnehmende Identifikation mit Staat und Gesellschaft“ mit der Zunahme instabiler Beschäftigungsverhältnisse in Verbindung.

In der Tat fallen Familiengründung und die Phase, in der man akademisch Vollgas geben muss, um eine unbefristete Unistelle zu ergattern, zeitlich zusammen – die Folgen lassen sich statistisch belegen: Nur 50 Prozent der derzeitigen Professorinnen haben es geschafft, parallel zur Karriere Kinder zu bekommen. Bei den Professoren sind es immerhin 80 Prozent.

Höchstens zehn Prozent der Mittelbauer kommen überhaupt so weit und schaffen es, aus den kurzfristigen Kettenverträgen heraus zu kommen und eine Professur zu ergattern. Wie viele ihr Heil in der Hausmeisterei suchen, ist nicht erforscht.

HENNING BLEYL