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Archiv-Artikel

Jugend erforscht und erklärt sich selbst

BILDUNG SchülerInnen erkunden als Feldforscher ihren eigenen Alltag. Ausstellung im HKW

Ein altes Brautkleid von der Tante steht für „Erben und Bewahren“. Sofa und Fernseher repräsentieren „Feiern und Chillen“, die Lieblingskategorie von Sibel. Logisch, denn hier hat sie selbst mitgearbeitet. Mit einem Plakat gewährt die 14-jährige Einblick in die Silvesterfeier ihrer Familie: Es gibt Feigen, Baklava und Kalbsfleisch , Cousins und Cousinen kommen zu Besuch.

Sibel ist eine von 80 Jugendlichen, die im vergangenen Jahr im Projekt „Sieben Felder“ ihre eigene Lebenswelt ethnologisch erkundeten. Die Ergebnisse dieser Feldforschung, ein Pilotprojekt des JugendKunsthauses Schlesische 27, sind noch bis 17. März im Haus der Kulturen der Welt (HKW) zu sehen.

Wer gehört wie und weshalb zusammen, und wer definiert das? Zur Beantwortung dieser Fragen hatten sich SchülerInnen aus Wedding, Kreuzberg und Wilmersdorf zusammen mit KünstlerInnen der Initiative Ästhetische Feldforschung und EthnologiestudentInnen der Humboldt-Universität auf Spurensuche begeben (taz berichtete).

„Wir wollen Jugendlichen, die in der gesellschaftlichen Diskussion sonst meist nur als Problemfälle auftauchen, ermuntern, sich in künstlerischen Statements selbst zu Wort zu melden“, so Antonia Weisz, eine der künstlerischen Leiter des Projekts. Mit ethnologischen Methoden wie Wahrnehmungsspaziergängen und Forschungstagebüchern warfen die Jugendliche einen neuen Blick auf ihre Welt. Zu sieben Untersuchungskategorien wie „Glauben und Hoffen“, „Schaffen und Gestalten“ und „Sammeln und Besitzen“ entstanden Texte, Fotoserien, Klanginstallationen und Videos.

In einem Video, aufgenommen im Bettenlager eines Kaufhauses am Hermannplatz, erzählen die Jugendlichen von ihren Lieblingsorten, Lieblingsgeschäften und ihren Träumen: von einem Geldtransporter, aus dem Millionen Euros platzen, oder vom Balkon des Großvaters in der Türkei, auf dem man mit einer Waffe schießen darf.

„Das Projekt war eine Herausforderung, auch für die Studenten“, sagte Anja Brendel, eine der Studierenden. Sie musste erst lernen, die Jugendlichen „manchmal einfach machen zu lassen“, selbst wenn man sich manchmal andere Herangehensweise gewünscht hätte. Während die Jungen sich vor allem für Videos und Raptexte begeistert hätten, sei „Heiraten“, das Herzensthema vieler Mädchen gewesen, erzählt sie.

Die Unterschiede zwischen arabischen und deutschen Heiratsanträgen sind daher auch ein Thema der Ausstellung, die für Februar im HKW eingeplant war. Aus Platzgründen musste sie damals der Berlinale weichen. Jetzt sind die „Sieben Felder“ zu sehen im Umfeld des HKW-Projekts „Über Lebenskunst“ – das passt auch. SARAH KOHLHAUER

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