: Spuren der Geschichte
Die Historie ist inzwischen das Thema einiger hervorragender Wanderwege, die archäologische Stätten untereinander verbinden. Erstaunlich vielfältig sind die Funde der Archäologen. Wege durch die Natur mit kulturellem Mehrwert
von CHRISTEL BURGHOFF
Was wissen wir von den Römern in Deutschland? Was von den Kelten? Oder den Nibelungen? Auf vielen Wanderwegen durch die Landschaft gehen wir ihre Wege. Manchmal finden sich Wälle im Wald, die eher nach Menschenwerk als nach Natur aussehen. An freigelegten Fundamenten gibt es Hinweistafeln, die über die Grabungsarbeiten von Archäologen informieren. Vielleicht handelt es sich um ein ehemaliges römisches Kastell. Vielleicht um ein keltisches Heiligtum. Oft überraschend für Wanderer scheint in der Natur die Historie auf und gibt jeder Wanderung eine neue Wendung. Und dann macht man gern eine Rast. Es ist eine Bank, die lockt, oder auch die Anregung.
Die Historie ist inzwischen das Thema einiger hervorragender Wanderwege, die archäologische Stätten untereinander verbinden oder zu Schauplätzen führen, die an große Ereignisse und großartige Schatzfunde erinnern. Erstaunlich vielfältig sind die Funde der Archäologen in Deutschland, und zwar aus allen Zeiten der Besiedlung Mitteleuropas. Zahlreiche regionale Museen gründen auf regionalen Grabungsfunden. Zum Beispiel von den Römern.
Spektakulär sind die Relikte, die sie hinterlassen haben. Der obergermanisch-rätische Limes, der auf 550 Kilometern zwischen Rheinbrohl (nördlich Koblenz) am Rhein und Einig an der Donau (nahe Regensburg) durch Südwest- und Süddeutschland verläuft, wurde 2005 als das größte deutsche Bodendenkmal von der Unesco in ihre Welterbeliste aufgenommen. Mit dem schottischen Hadrian’s Wall (seit 1987 Welterbe) bildet er jetzt den Teilabschnitt eines transnationalen Denkmals, das einmal die Außengrenzen des ehemaligen Imperium Romanum umfassen soll.
Gut 200 Jahre währt hierzulande schon die Römer-Begeisterung. Römische Thermen- oder Tempelanlagen wurden seither freigelegt, Hausrat und Kultgegenstände geborgen, Münzschätze gehoben. 1892 wurde eine Reichskommission zur Erforschung des Limes gegründet, Kaiser Wilhelm II. veranlasste den Wiederaufbau des Kohortenkastells Saalburg im hessischen Taunus. Der Limes, den die Römer ab dem zweiten Jahrhundert bauten, war ein Grenzwall. Er sollte das römische Imperium gegen Norden hin befestigen und vor Raubzügen germanischer Stämme schützen. Militärisch war er eher nutzlos.
Um die Mitte des dritten Jahrhunderts überrannten Alemannen den rätischen Limes, seither verlor der Grenzwall an Bedeutung. Aber als Grenze zwischen „Zivilisation“ und „Barbaren“, wie die Römer dies verstanden, funktionierte der Wall aus Mauern und Palisaden. Er war trotz aller Befestigung eine durchlässige Grenze und erlaubte einen regen Handel. Alle 400 bis 800 Meter stand ein Wachturm, die zirka 30.000 stationierten Soldaten wurden in über 120 Kastellen untergebracht. An den Kastellen entstanden Dörfer, in denen Handwerker und Händler und die Familien der Soldaten lebten. Die Germanen fanden zunehmend Gefallen an römischen Luxusgütern wie Silber, Gläser, Schmuck und Metallgeschirr, die Römer importierten Getreide, Pelze, Bernstein, Federn, Seife und blondes Frauenhaar, ein unter Römerinnen heiß begehrter Modeartikel. Zahlungsmittel waren Münzen.
Besucher werden heutzutage von den Rekonstruktionen überrascht sein. Zahlreiche Wachtürme entlang dem oft wieder freigelegten Limesverlauf wurden weitgehend authentisch wieder aufgebaut. Reizvolle historische Rekonstruktionen finden sich vor allem im Limes-Hinterland, wo sich im Schutz der Grenze eine römische Infrastruktur samt Landgütern, Villen, Tempelanlagen, Bergwerken, Wasserleitungen, Kelteranlagen und mit allen Annehmlichkeiten der römischen Zivilisation vom Amphitheater bis zur Fußbodenheizung entwickelte.
Trier an der Mosel war in der Spätantike sogar Hauptstadt eines Teilreichs im Römischen Imperium. Bis hin zu den Motiven und der Farbgebung von Mosaiken und Wandbemalungen wurden römische Villen wieder aufgebaut und sogar historische Thermen wieder in Betrieb genommen, Tempel wurden hergerichtet, Gutshöfe rekonstruiert. Sie stellen auch das Szenarium für kulturelle Events, die – allerdings mehr oder weniger gelungen – die Historie lebendig und publikumswirksam zu inszenieren beabsichtigen.