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Archiv-Artikel

„Das Sterben geht weiter“

GEDENKEN Mahnwache, Film und Vortrag erinnern an den Giftgasangriff auf das irakische Halabja 1988

Von JPB
Tilman Zülch

■ 71, ist Präsident der Internationalen Gesellschaft für bedrohte Völker, die den UN-Wirtschafts- und Sozialrat berät

taz: Herr Zülch, heute jährt sich der Giftgasangriff auf die Stadt Halabja. Ist der überhaupt noch im öffentlichen Bewusstsein?

Tilman Zülch: Viele, die älter sind oder sich für die Welt interessieren, erinnern sich noch, auch weil das Sterben weitergeht. Bei dem Giftgasangriff im März 1988 durch Saddam Husseins Kampfhubschrauber kamen 5.000 Kurden um. An den Spätfolgen starben bislang noch einmal bis zu 10.000 Menschen. Junge Menschen, die damals Kleinkinder waren, sterben heute an Krebs. Daran tragen deutsche Firmen eine Mitschuld.

Weil sie Giftgas geliefert haben?

Die hessischen Unternehmen Karl Kolb GmbH und Pilot Plan haben damals im irakischen Samara den Aufbau der Chemiewaffenindustrie vorangetrieben.

Wurden sie dafür belangt?

Es sind Leute festgenommen worden. Sie kamen aber nach ein paar Monaten wieder frei, da die Gesetzeslage ungenügend war.

Wie geht es den Überlebenden?

Der nordirakische Bundesstaat Kurdistan ist ja jetzt eine autonome Region. Er hat sehr hohe Öl-Einkünfte. Es könnte daher viel mehr für die Menschen und die Stadt Halabja getan werden. Deren Bürgermeister, Khder Kareem wird auf dem heutigen Vortrag auch selbst davon berichten.

Und die Situation für Kurden außerhalb des Iraks?

Dass Kurdistan eine sichere und blühende Region ist, hat auch den zwölf Millionen Kurden in der Türkei mehr Selbstbewusstsein verliehen. Auch ist Erdogan nicht so regressiv wie seine Vorgänger. Den sieben Million Kurden im Iran und den zwei Millionen in Syrien droht bei politischer Betätigung Folter und Hinrichtung. INTERVIEW: JPB

15 Uhr Mahnwache vor dem Senat 18 Uhr Film/Vortrag im Lagerhaus