: EU streitet über Dolmetscher
EU-Bürger im Ausland sollen besser über ihre Rechte aufgeklärt und mit Übersetzern versorgt werden, wünscht Bundesjustizministerin Zypries. Doch es gibt Widerstände
FREIBURG taz ■ Deutsche, die im EU-Ausland mit der Polizei in Konflikt kommen, sollen künftig sofort einen „Brief über die Rechte“ erhalten. In deutscher Sprache würden sie dann über ihre Verfahrensrechte gegenüber der Polizei, zum Beispiel das Recht auf einen Dolmetscher, aufgeklärt. Das ist für Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein wesentliches Ziel der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007. In den kommenden Tagen wird Zypries die Idee bei einer internationalen Tagung in Berlin diskutieren.
Zypries will damit gezielt die Bürgerrechte in Europa stärken, nachdem zuletzt vor allem Polizei und Justiz von der EU-Zusammenarbeit profitierten. Die Justizministerin erinnert etwa an den europäischen Haftbefehl, der Auslieferungen ins EU-Ausland stark erleichtert hat. „Bei den Bürgerrechten haben wir Nachholbedarf“, sagt die sozialdemokratische Ministerin.
Schon seit dem Jahr 2004 liegt ein Vorschlag der EU für einen Rahmenbeschluss vor, der Mindestgarantien im Strafverfahren EU-weit vorschreibt. In jedem EU-Staat sollen Ausländer künftig in ihrer Muttersprache über Verfahrensrechte informiert werden. Wer sich keinen Anwalt leisten kann, soll einen Rechtsbeistand vom Staat gestellt bekommen. Wer die Sprache der Polizei und Justiz nicht versteht, soll einen Übersetzer erhalten. In vielen europäischen Ländern ist dies bereits Gesetz, doch die Praxis geht weit auseinander. So haben nur sieben der 27 EU-Staaten einen rund um die Uhr erreichbaren anwaltlichen Notdienst, und nicht überall werden die Verfahrensdokumente auch schriftlich übersetzt.
In Deutschland wird der Plan von allen Parteien sowie von Anwälten und Richtern begrüßt. Doch auf EU-Ebene ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich und bisher sind nur 21 Staaten für die verbindlichen Garantien. Sechs Länder – Großbritannien, Irland, Tschechien, Slowakei, Malta und Zypern – wollen aus unterschiedlichen Gründen nur eine unverbindliche Resolution beschließen. Ihnen genügt die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats, die bereits in 46 europäischen Staaten das einklagbare Recht auf ein faires Gerichtsverfahren garantiert.
Zypries hat deshalb im Dezember einen abgespeckten Kompromissvorschlag vorgelegt. Demnach müssen Verhöre mit Dolmetschern nicht mehr aufgezeichnet werden, um die Qualität der Übersetzung sicherzustellen. Doch noch immer mauern die Skeptiker.
CHRISTIAN RATH