: Rowdys des Inneren
Opposition und Juristenverbände laufen Sturm gegen Schleswig-Holsteins neues Polizeigesetz. Dem anhaltenden Streit darum wird wohl auch die morgige Abstimmung im Kieler Landtag kein Ende setzen
Morgen stimmt der Kieler Landtag über ein Gesetz ab, das Kritiker teilweise für verfassungswidrig halten: eine Neuregelung des Polizeigesetzes, das den Beamten mehr Rechte für die Überwachung im Vorfeld von Straftaten gibt. Gestern formierte sich der Widerstand: Die Opposition aus FDP, Grünen und SSW sowie Juristenverbände wiesen auf ihre Bedenken hin. „Datenschutz ist ein Verfassungsgrundrecht“, sagte etwa der Datenschutzbeauftragte des Landes, Thilo Weichert. „Die Sicherheitserwägungen des Entwurfs führen zu unverhältnismäßigen Einschränkungen dieses Grundrechtes.“ Und Wolfgang Kubicki (FDP) stellte fest, dass von der „liberalen und rechtsstaatlichen Tradition“ des Polizeirechts „nicht mehr viel übrig“ sei.
Dagegen verteidigte Innenminister Ralf Stegner (SPD) den Entwurf als „Musterbeispiel eines wirkungsvollen und bürgerfreundlichen Polizeirechts“, so „modern“ wie „liberal und verfassungskonform“. Angesichts neuer Gefahren müssten sich die „Befugnisse der Polizei an veränderte Realitäten anpassen“. Die Maßnahmen richteten sich „ausschließlich gegen Störer der öffentlichen Sicherheit“.
Eben das bezweifeln die Kritiker: So ermöglicht das Gesetz eine flächendeckende Überwachung und Scanner-Kontrollen an Autos, und dadurch könnten „unbescholtene Bürger nicht mehr erkennen, wo, wann und unter welchen Umständen sie in das Visier polizeilicher Observation geraten“, befürchtet etwa die Neue Richter-Vereinigung.
Datenschützer Weichert hofft auf das Scheitern des Gesetzentwurfs im Landtag: Er sei sicher, sagte er, „dass sich die Abgeordneten ihrer Verantwortung bewusst sind“. Selbst wenn das Gesetz durchkommt, hat es durch die lange Vorlaufzeit und die vielen Änderungen das Ansehen von Innenminister Stegner beschädigt: Kubicki hielt es gar für einen „politischen und fachlichen Gau“, während Anke Spoorendonk (SSW) feststellte, der SPD-Minister wolle „die CDU rechts überholen“.
Unklar ist, ob Stegner letzte Veränderungen am Entwurf vorgenommen hatte – oder die CDU: Deren Fraktionsvorsitzender Johann Wadephul erklärte, die Union habe „auf die Rechtsstaatlichkeit“ achten müssen. Dagegen geht Christine Nordmann von der Neuen Richter-Vereinigung davon aus, dass eben doch die CDU Verschärfungen gefordert hat. Auch Stegner erinnerte an ursprüngliche Wünsche der Union, etwa zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
Auch nach der Abstimmung morgen im Landtag könnte der Streit um das Polizeigesetz weitergehen: Das „innenpolitische Rowdytum“, drohte Spoorendonk gestern, müsse gestoppt werden – „notfalls mit rechtsstaatlichen Mitteln“.ESTHER GEISSLINGER