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Archiv-Artikel

„Das große Problem sind die Waldfresser“

Nicht der Klimawandel, sondern vor allem die künstliche Austrocknung der Wälder sei für die Waldschäden verantwortlich, sagt Helmut Brücher vom Berliner Naturschutzbund (Nabu). Stattdessen werde zu wenig gejagt

taz: Herr Brücher, ist der Klimawandel verantwortlich für die Waldschäden in Brandenburg?

Helmut Brücher: Eher nicht. Sicherlich wird sich eine allgemeine Klimaerwärmung auch auf den Zustand der Wälder auswirken, aber so weit ist es jetzt noch nicht. Das sind längerfristige Entwicklungen.

Aber die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben dem Wald schon geschadet?

Kommt drauf an, wie man Schäden definiert. Darauf, dass das Wetter in einzelnen Jahren unterschiedlich ausfällt, dass das Wetter zu kalt, zu nass, zu trocken oder zu sonnig ist, reagieren Tiere und Pflanzen natürlich. Sie können aber temporäre Belastungen wie ein besonders trockenes Jahr wieder kompensieren. Auch wenn viele Eichenwipfel nach einem heißen Sommer vertrocknet sind, erholen sich die Bäume wieder in ein paar Jahren. Das ist nicht das Problem.

Was denn?

An erster Stelle die vom Menschen verursachte Trockenheit. Brandenburg ist ohnehin ein eher trockenes Gebiet, aber wir tun viel dafür, dass es noch trockener ist, als es sein müsste. Wenn Sie im Land unterwegs sind, werden Ihnen überall tiefe Gräben auffallen. Mit diesem Drainagesystem wird viel Wasser aus der Landschaft herausgeholt.

Wer denkt sich denn so etwas aus?

Historisch gesehen diente dieses Entwässerungssystem der Urbarmachung riesiger Moorflächen. Aber die Tradition wurde beibehalten. Selbst kleinste Gräben werden mit hohem finanziellen Aufwand instand gehalten und oft jährlich ausgebaggert.

Und warum?

Rational ist das nicht nachvollziehbar. Es liegt aber im Interesse der Wasser- und Bodenverbände, die für das System verantwortlich sind und dafür von Landwirten und Waldbesitzern Zwangsabgaben kassieren. Die haben ihr Personal, ihre Geräte, das reduzieren sie natürlich nicht freiwillig. Aus der Perspektive des Waldes betrachtet, ist diese ganze groß angelegte Wasserableitung völlig überflüssig.

Was macht dem Wald noch zu schaffen?

Das zweite große Problem sind die Waldfresser.

Wie bitte?

Waldfressende Großsäuger, Sie können auch Reh, Rothirsch und Damhirsch dazu sagen. Diese Arten haben sich in Brandenburg stark vermehrt und schädigen den Wald enorm, weil sie die jungen Bäume fressen. Besonders die jungen Laubbäume sind davon betroffen.

Wird nicht genug gejagt?

Das Problem liegt wieder im System: Bis zu einer Waldfläche von 75 Hektar liegt das Jagdrecht nicht beim Waldbesitzer. Der ist auf Gedeih und Verderb den Hobbyjägern ausgeliefert. Und wer zum Spaß auf die Pirsch geht, hat kein gesteigertes Interesse daran, effizient zu jagen.

Weil er dann nicht genug Tiere vor die Flinte bekommt.

Genau. Man will möglichst ganzjährig viele Tiere rund um den Hochsitz, und darum wird massiv gefüttert. Der Nabu besitzt in Brandenburg übrigens selbst große Waldflächen, die er bejagen lässt. Aber viel effizienter und nur drei- bis viermal im Jahr. Dadurch bleibt der Bestand an Paarhufern überschaubar, und die Laubbaumbestände können sich ohne den aufwändigen Bau von Zäunen regenerieren.

Der saure Regen ist gar kein Thema mehr?

Das hat sich glücklicherweise wesentlich verbessert. Verantwortlich waren dafür ja vor allem die ungefilterten Emissionen von Kraftwerken und Fabriken. Aber die Fahrzeugemissionen steigen immer weiter. Weil die auch klimawirksam sind, brauchen wir unbedingt eine Optimierung des Kraftstoffverbrauchs.