Erneut tödliche Gefechte um die Region Berg-Karabach

SÜDKAUKASUS Armenien und Aserbaidschan geben sich gegenseitig die Schuld. Krisentreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi

VON TIGRAN PETROSYAN

BERLIN taz | Die beiden Südkaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan könnten auf einen neuen Krieg um die Region Berg-Karabach zusteuern. Dort kommt es seit der vergangenen Woche immer wieder zu Gefechten, bei denen bislang mindestens 15 Soldaten ums Leben kamen. Jerewan und Baku machen sich gegenseitig für die jüngste Eskalation verantwortlich.

So erklärte das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku, Späh- und Sabotagekommandos aus Armenien hätten Posten an der Trennlinie angegriffen. Demgegenüber behauptete das armenische Verteidigungsministerium in Jerewan, Sabotagegruppen aus Aserbaidschan hätten versucht, auf das Territorium von Berg-Karabach und Armenien vorzudringen. Für den 8. und 9. August sind die Präsidenten Aserbaidschans und Armeniens, Ilham Alijew und Sersch Sargsjan, von Russlands Präsident Putin zu Krisengesprächen nach Sotschi geladen.

Der Konflikt um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte autonome Region Berg-Karabach, die sich auf aserbaidschanischem Territorium befindet, war 1988 im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion ausgebrochen. Während des Krieges, der 1994 mit einem Waffenstillstand endete, wurden rund 30.000 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben. Die Minsker OSZE-Gruppe, der neben Aserbaidschan und Armenien unter anderen auch die USA, Frankreich und Russland angehören, versucht seit 1992 in dem Konflikt zu vermitteln.

Zwar forderten die USA und Russland Anfang dieser Woche die Konfliktparteien auf, über eine friedliche Lösung des Konfliktes zu verhandeln. Dennoch ist sich David Schahnasaryan, Leiter des Jerewaner Zentrums für Politik- und Rechtswissenschaft „Concord“, sicher, dass Russland für die Eskalation mit verantwortlich ist. „Moskau will das Format der Minsker OSZE-Gruppe eliminieren, um so als einziger Vermittler in diesem Konflikt seinen Willen durchzusetzen“, sagte er armenischen Medien.

Das wäre ein weiterer Hebel für Moskau, seinen Einfluss auf Armenien zu verstärken. Seit den 90er Jahren sind Russland und Armenien strategische Partner. Die einzige russische Militärbasis im Südkaukasus befindet sich in Armenien. Ein entsprechender Vertrag läuft noch bis 2044. Alle Energie- und Telekommunikationsunternehmen, ein Großteil der Versicherungen und Banken sowie die Eisenbahn sind in russischer Hand.

Im vergangenen Herbst wollte Armenien ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen. Im letzten Moment machte der armenische Präsident Sersch Sargsyjan, nachdem er von Moskau massiv unter Druck gesetzt worden war, einen Rückzieher und erklärte sich bereit, 2014 der von Russland geführten Zollunion beizutreten. Der Beitritt wurde bereits mehrmals verschoben. Der Grund: Berg-Karabach. Jerewan besteht darauf, sich nur zusammen mit Berg-Karabach dem Bündnis anzuschließen. Das käme de facto einer Anerkennung der Region als eines Bestandteils Armeniens gleich. Vor allem Kasachstan, das neben Russland und Weißrussland der Zollunion angehört und enge Wirtschaftsbeziehungen zu Aserbaidschan unterhält, verwahrt sich dagegen. Unlängst schlug Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew vor, zwischen Armenien und Berg-Karabach eine Zollgrenze zu errichten. Das jedoch würde die Wirtschaft Berg-Karabachs, das am Tropf von Jerewan hängt, empfindlich treffen.

In Jerewan mehren sich die Stimmen derer, die vor einem Beitritt zu Zollunion warnen, weil Armenien davon nicht profitieren würde. Daher, so der armenische Politikwissenschaftler Stepan Grigorjan, könnte die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsgsabkommens bald wieder auf der Tagesordnung stehen.