: Lars Fenin wärmt sich am Technobeat, Frank Bretschneider kühlt denselben wieder ab
Lars Fenin hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwei Gegensätze miteinander zu versöhnen. Denn gewöhnlich haben Techno und Dub nicht viel gemeinsam. Aber Fenin ist nicht nur DJ und Produzent, sondern war auch mal Gitarrist in Reggae-Bands. Deshalb denkt er bis heute den zackigen Techno und den eher verzögerten Dub konsequent zusammen. Dabei geht es weniger um eine Fusion der beiden Genres als darum, die Prinzipien des einen auf die Sounds und Strukturen des anderen anzuwenden. Diese Forschungsarbeit fand über die Jahre weitgehend in „Mixes & Maxis“ statt, die nun zusammengefasst vorliegen.
Der Trick funktioniert so: Fenin programmiert einen Beat, gern einen minimalen, der aber dem Techno verpflichtet ganz klassisch auf die Eins geht. Dann umbaut er diesen Rhythmus mit gewaltigen Hallräumen, die in der Tiefe nur notdürftig ausgestattet werden mit Weltraumgeräuschen. Der Dub wird hier weniger verstanden als jamaikanische Musik im Offbeat, sondern als praktisches Verfahren: Leerstellen werden geschaffen, Zeit gedehnt, Assoziationsräume freigeräumt. Der Beat schlägt weiter, aber sein Diktat ist gebrochen. Der Techno wird von der Tanz- zur Medidationsmusik, ohne gleich zur Chill-out-Soße zu verkommen. Selbst wenn Fenin dann in Tracks wie „Adeto“ oder „And Again“ die Dancefloortauglichkeit vollständig aufgibt, greift nicht die Beliebigkeit der Klangtapete um sich. Seine Ausflüge ins Atmosphärische wirken so wie hochseriöse Forschung am Rauschen, sein Spielen mit sich widersprechenden Frequenzen wie mathematische Experimente.
Ganz ähnlich – und dann doch wieder völlig anders – verfährt Frank Bretschneider auf seinem Album „Komet“, das er nach einem seiner früheren DJ-Decknamen benannte. Detailversessen schraubt Bretschneider hier am Rhythmus: Auch er verzerrt und entzerrt, auch er lässt viel Platz zwischen den Schlägen. Doch während Fenin seinen Tracks meist ein warmes, fast schon karibisches Gefühl verschafft, bleibt Bretschneider, der einst bei der legendären DDR-Artrock-Band AG Geige spielte, voller Absicht dem Herzschlag der Maschinen nahe. Hall kommt bei ihm kaum zum Einsatz, stattdessen horcht er hingebungsvoll auf das Pluckern und Tuckern, Fiepsen und Zirpen elektronischer Schaltkreise.
Das ist für Bretschneider ein Richtungswechsel. Schließlich gründete der 54-jährige dereinst das Label Raster-Noton, bevor er seinen beiden Kollegen Olaf Bender und Carsten Nikolai die Pflege der E-Avantgarde überließ, und glänzte auf seinen Veröffentlichungen sonst mit Tracks, die eher zur Klanginstallation als zum Tanzbodenknüller taugten. Diese Vergangenheit ist auf „Komet“ manchmal vielleicht noch zu ahnen, aber tatsächlich kaum zu hören. Bretschneider formt stattdessen einen geradezu klassischen Minimal Techno, der nur hin und wieder, durch eine rhythmisch Volte oder einen kompromisslosen Klang, kurz aus der Fassung gerät. So gesehen bleibt sich Frank Bretschneider treu, auch wenn er niemals zuvor so eingängig klang.THOMAS WINKLER
■ Fenin: „Mixes & Maxis“ (Shitkatapult/Alive), live am 18. 3. im Suicide Circus
■ Frank Bretschneider: „Komet“ (Shitkatapult/Alive)