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Archiv-Artikel

Weiterbildung zum akademischen Prekarier

Löhne und Honorare im Weiterbildungssektor haben sich seit 2003 halbiert, sagt Verdi. Schuld sei der staatlich gelenkte ruinöse Wettbewerb. Besonders in Hamburg ist die Zahl der Kursteilnehmer extrem zurückgegangen

Vor knapp vier Jahren entschied die Bundesregierung, so gut wie keine Umschulungen mehr zu genehmigen und die Weiterbildung auf kurze Module zu beschränken. Die Folge: Die Zahl der Teilnehmer schrumpfte bundesweit auf ein Viertel von 430.000 auf 106.000 zusammen – in Hamburg gar auf ein Fünftel, von 8.500 auf 1.700.

Roland Kohsiek, der Leiter des Hamburger Verdi-Fachbereichs Bildung, machte gestern auf einen Nebeneffekt dieser Sparpolitik aufmerksam: Den Beschäftigten geht es richtig mies. Denn um die verbleibenden Aufträge zu verteilten, wurde ein strenges Ausschreibungsverfahren geschaffen, bei dem Regionale Einkaufszentren (REZ) „die billigsten Anbieter auswählen“, wie Verdi-Mitglied Peter Petersen berichtet. Die REZ verantworten für die Bundesagentur für Arbeit den Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen. In der Folge seien die „Gehälter praktisch halbiert worden“, sagt Kohsiek. Hamburgweit liege das Durchschnittsgehalt knapp unter 2.000 Euro brutto. Kohsiek: „Dabei sind das alles hochqualifizierte Leute – Lehrer und Sozialarbeiter, die haben früher BAT II a verdient.“

Doch die wenigsten hätten überhaupt noch einen festen Vertrag, viele würden nur befristet oder auf Honorarbasis eingestellt. Von großen Firmen wie der Stiftung Grone Schule oder der Stiftung Berufliche Bildung (SBB), die einst 180 beziehungsweise 300 Mitarbeiter hatten, existiere „nur noch die Fassade“, sagt Petersen. Statt Festangestellter gebe es zahlreiche Tochterfirmen, bei der SBB sogar Tochter-Leiharbeitsfirmen. Kohsiek: „Wir hatten früher Standards. Die sind unter die Räder gekommen.“

In der Folge seien auch die Honorare gesunken. Habe man sich früher am Volkshochschulsatz von 25 Euro pro Stunde orientiert, liege der Satz jetzt unter 20 Euro, sagt Kohsiek. Manche zahlten gar nur elf Euro oder noch weniger. Ein „krönendes Beispiel“ seien die Deutschkurse für Ausländer, kurz DAF, für die die Hamburger Hartz-IV-Behörde Arge nur 1,49 Euro pro Teilnehmerstunde bezahle. Bei maximal 25 Teilnehmern bedeute dies nach Abzug der Nebenkosten einen „Nettolohn von unter zehn Euro“, sagt Petersen. Eine Studie des Bundesbildungsministeriums spricht von „Hauptberuflichen Honorarbeschäftigten“, die bis zu fünf Jobs haben. Das Ministerium geht davon aus, dass sich drei Viertel der 125.000 Weiterbildungslehrer in „prekärer Lage“ befinden. Dabei wäre der „ruinöse Preisdruck“ laut Kohsiek nicht nötig. Sowohl die ARGE in Hamburg als auch die Bundesagentur haben im Jahr 2006 nur 80 Prozent ihres Etats für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Das Ersparte fällt ans Finanzministerium zurück.

Der einzige Lichtblick ist für Verdi ein „Branchentarifvertrag“, der einen Mindestlohn festlegt und über eine Ausweitung des „Entsendegesetzes“ auf weitere Branchen zur Pflicht werden könnte. „Die Chancen, dass das etwas wird, stehen 50 zu 50“, sagt Petersen. KAIJA KUTTER