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Archiv-Artikel

Unter lokalen Vorzeichen

Der Schrecken vom Ebensee: Der Horrorfilm „In drei Tagen bist du tot“ von Andreas Prochaska steht für den Versuch österreichischer Produzenten, ein kommerziell einträgliches Kino zu entwickeln

von BERT REBHANDL

Nie mehr Schule! Diese frohe Botschaft hat schon viele junge Leute vergessen lassen, dass danach der Ernst des Lebens kommt. Selten allerdings so ernst wie in diesem Schocker aus Österreich: „In drei Tagen bist du tot“ von Andreas Prochaska. Der Film beginnt mit einer Prüfung. Abitur sagt man in Deutschland, in Ebensee im Salzkammergut spricht man von der „Matura“, der Reifeprüfung. Sie kommt immer zu früh, gleich nach der Pubertät. Das Gefühl von Freiheit ist trotzdem stark, schon am gleichen Abend soll eine tolle Party stattfinden. Zuerst aber nach Hause, wo die Eltern warten und die Aufgaben, die von der Familie gestellt werden.

Schon in diesen wenigen Szenen zeigt Andreas Prochaska, in welche Richtung er mit „In drei Tagen bist du tot“ will: Hier gibt es kein ödes Luxusleben, in das der Horror wie die Erfüllung eines unbewussten Wunsches nach Action dringt. Hier gibt es gut und realistisch zu tun, es gibt Einblicke in das alltägliche Leben in einer Landgemeinde in Österreich, und wenn irgendetwas auf den Schrecken verweist, der noch kommen soll, dann ist es der See. Er liegt idyllisch, aber auch ein wenig einschüchternd zwischen den hohen Bergen. Man denkt nicht an Badehosen, wenn man auf den See hinausblickt, sondern an die warme Stube, in die man bald wieder zurückwill.

Bei der Maturaparty am gleichen Abend kommt die erste SMS: „In drei Tagen bist du tot.“ Bald stellt sich heraus, dass eine ganze Gruppe von Jugendlichen den gleichen Text auf dem Handy hat. Absender unbekannt. Es gibt jedoch einen Verdächtigen, einen Außenseiter in der Klasse, der bei einem Mädchen abgeblitzt ist. Was in der ersten Nacht noch wie ein dummer Scherz erscheint, kann am nächsten Morgen nicht mehr einfach so abgetan werden. Es gibt das erste Opfer. Der lokale Polizist nimmt die Sache auch danach nicht ernst genug, und so müssen die jungen Leute ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

„In drei Tagen bist du tot“ bedient sich großzügig bei internationalen Vorbildern. Das neuere amerikanische Horrorkino mit seinen stereotypen Geschichten bietet genügend Ausgangsmaterial, das sich nach Belieben variieren läßt. Zu „I Know What You Did Last Summer“, der auf einem Drehbuch des „Scream“-Autors Kevin Williamson beruht, führt eine direkte Abstammungslinie. Dabei ist das, was Andreas Prochaska und sein Koautor Thomas Baum machen, nicht so sehr ein Plagiat im strengen Sinn, sondern eine Version unter lokalen Vorzeichen. Die unverbrauchten Darsteller und der Dialekt schaffen ein anderes Identifikationspotenzial als Hollywoodfilme.

Auch deswegen wurde „In drei Tagen bist du tot“ zu einer symptomatischen Fallgeschichte, die zu einer Spaltung in der österreichischen Produzentenlandschaft geführt hat. Dabei sind es vor allem alteingesessene Firmen, die sich jüngst zu einem neuen Verband zusammengetan und aus der angestammten Vertretung zurückgezogen haben. Sie haben es sich zum Programm gemacht, ein kommerzielles österreichisches Kino zu entwickeln – folgerichtig ist Helmut Grasser, der Produzent von „In drei Tagen bist du tot“, bei der Formulierung der entsprechenden Programmatik federführend, und ebenso wenig zufällig ist es, dass Regisseur Andreas Prochaska vom Fernsehen kommt, wo er zum Beispiel bei der erfolgreichen Schäferhundserie „Kommissar Rex“ gearbeitet hat. Die Definition spezifisch österreichischer „Fiction“-Formate für Kino und Fernsehen (von einem Genrekino kann mangels Quantität nicht die Rede sein) macht ein wenig vergessen, dass sich hinter der Spaltung der österreichischen Produzenten auch ein Generationenkonflikt erkennen lässt.

International erfolgreiche junge Filmemacher wie Barbara Albert haben früh eigene Produktionsfirmen gegründet – die coop 99 (siehe unten) trägt noch im Namen die Jahreszahl 1999, als nach dem Film „Nordrand“ ein Aufbruch im österreichischen Autorenkino zu verzeichnen war. Eine der Konsequenzen des Erfolgs österreichischer Filme war, dass viele Fördermittel an den etablierten Produzenten vorbeiflossen. Österreich hat, wie Deutschland auch, eine Referenzfilmförderung, die nicht nur den Erfolg an den Kinokassen berücksichtigt, sondern auch auf internationalen Festivals, auf denen Barbara Albert & Co. reüssierten. Dabei kann man durchaus von einer Autorenfilmkonstellation sprechen, die sich von Michael Haneke und Ulrich Seidl bis zu Dokumentaristen wie Nikolaus Geyrhalter erstreckt – gemeinsam ist diesen Filmen ein kritischer Blick auf die österreichischen Lebensverhältnisse.

Demgegenüber ist die plötzliche Erfindung eines österreichischen „Genrekinos“ nicht ganz frei von Opportunismus und zeugt in erster Linie von dem verständlichen Wunsch von Produzenten, einen berechenbaren Markt zu schaffen. „In drei Tagen bist du tot“ wäre dafür gar kein schlechtes Vorbild. Denn die Dialektik zwischen der Evokation von Genreformeln und der Erzeugung einer besonderen Atmosphäre funktioniert bei Andreas Prochaska ganz gut. Er hat tatsächlich einen internationalen österreichischen Film gedreht, bei dem sich nun nur noch erweisen muss, ob er jenseits der engen Grenzen des Herkunftslands auch funktioniert – und zwar nicht als Kuriosum, sondern als kommerzielles Produkt. Dann könnten die Produzenten schon bald den neoliberalen Jubelruf anstimmen: Nie mehr Subvention!

„In drei Tagen bist du tot“. Regie: Andreas Prochaska. Mit Sabrina Reiter, Michael Steinocher u. a. Österreich 2006, 97 Min.