: Die Untoten
LUFTSCHLÖSSER Zwei norddeutsche Großflughäfen, die es gar nicht gibt: Kaltenkirchen und Schwerin-Parchim
Das eine Luftschloss stammt aus den 1960er-Jahren, das andere von Anfang der 1990er: Zwei internationale Großflughäfen, kaum 130 Kilometer von einander entfernt, sollten im Norden Deutschlands entstehen. Zusätzlich zu den Airports in Hamburg, Berlin und Kopenhagen; Letzterer muss bei globalen Luftverbindungen mitgedacht werden.
Die jüngere Vision war Schwerin-Parchim, ab 1937 Luftwaffenstützpunkt der Wehrmacht, nach 1945 dann Basis für sowjetische Jagdbomber. Nach deren Abzug im Jahr 1992 lag das Gelände mit zwei Start- und Landebahnen in dünnbesiedelter Heide brach.
Ein Airport für Hamburg – und Berlin
Die geniale Idee, angeblich vom Wende-Kanzler Helmut Kohl höchstselbst zuerst ausgesprochen: Daraus machen wir einen schicken Super-Airport für Berlin und Hamburg und lassen den Transrapid dran vorbeisausen. Die Magnetstelzenbahn, kurz darauf selbst als unbezahlbar und zudem technisch unausgereift begraben, sollte Parchim an die beiden größten deutschen Städte anschließen – mit jeweils 30 Minuten Fahrzeit. Daraus wurde nichts.
Berlin bastelt derzeit mühsam an seinem eigenen Hauptstadt-Airport, und in Parchim versucht der chinesische Investor Jonathan Pang aus den Resten der Militärbasis einen Frachtflughafen zu machen, um von den Nachtflugverboten in Berlin und Hamburg zu profitieren. Im Frühsommer dieses Jahres sollte der Betrieb auf dem Baltic Airport Schwerin-Parchim unweit der Autobahn 24 eigentlich aufgenommen werden. Eigentlich. Dauert aber noch mindestens bis zum Herbst.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert geistert das Projekt eines Großflughafens bei Kaltenkirchen zwischen Hamburg und Neumünster als Untoter durch die Fantasien norddeutscher Betonköpfe in Politik und Wirtschaft. 30 Kilometer nördlich der Hansestadt sollte ein Mega-Airport auf die schleswig-holsteinischen Äcker gesetzt werden, um Hamburg-Fuhlsbüttel zu entlasten und auf lange Sicht zu ersetzen. Auch daraus: wird nichts.
Während die Kaltenkirchen-Idee vor sich hindämmerte, erweiterte man Hamburg-Fuhlsbüttel auf die doppelte Kapazität. Voriges Jahr wurden hier 13,5 Millionen Passagiere abgefertigt, 18 Millionen wären locker möglich – das reicht noch für Jahrzehnte. Ein Airport in Kaltenkirchen wird schlicht nicht gebraucht.
Hinzu kommen Berlins unglückselige, spektakulär teure Versuche mit dem Projekt BER. Bevor die nicht zu einem halbwegs versöhnlichen Ende geführt wurden, dürfte nirgends in Deutschland der Spaten für einen neuen Großflughafen gestochen werden. Kaltenkirchen traut sich niemand.
Kopenhagen statt Frankfurt
Und schließlich: Dänemark und Deutschland wollen zusammen rund zehn Milliarden Euro für den Fehmarnbelt-Tunnel samt Anschlüssen an Land ausgeben, damit ICEs in zweieinhalb Stunden zwischen Hamburg und Kopenhagen pendeln können.
Die dänische Hauptstadt verfügt mit Nordeuropas größtem Flughafen Kastrup über Direktverbindungen in alle Welt – und fast doppelt so hohe Passagierkapazitäten wie Hamburg; sie wäre rascher und bequemer zu erreichen als der größte deutsche Flughafen in Frankfurt/Main.
Niemand, der das hohe Lied der grenzüberschreitenden Verschmelzung der Metropolregionen Hamburg und Kopenhagen zum „Baltic Belt“ singt, wird da noch begründen können, warum – für geschätzt noch mal so viele Milliarden wie der Tunnel kostet – auf schleswig-holsteinischen Rapsfeldern ein Konkurrenz-Airport errichtet werden soll. SMV