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Archiv-Artikel

REGIERUNGSKRISE IN ITALIEN: DER NÄCHSTE RÜCKTRITT KOMMT BESTIMMT Schwache Disziplin

Unsere Schwäche kann eine Stärke sein: Mit diesem Mantra hat Romano Prodi sich neun Monate lang Mut gemacht. Schließlich fehlte ihm und den Seinen von Anfang an eine klare Mehrheit im Senat. Die Koalition sei zum Erfolg verdammt, räsonierte Prodi also. Das sei allen bewusst, und entsprechend diszipliniert würden sich die Koalitionsparteien verhalten.

Nichts aber änderte Prodis Mantra an der Tatsache, dass er mit der schmalstmöglichen Mehrheit dem breitestmöglichen Bündnis vorstand: 13 Parteien gehören zu seiner ausgerechnet „Union“ heißenden Allianz, und der Bogen reicht von Kommunisten zu Christdemokraten. Egal ob der Staatshaushalt oder der Afghanistan-Einsatz, die Schwulenehe oder die Rentenreform – so gut wie jede politische Frage wurde zur Zitterpartie. Überraschend ist eigentlich nur, dass Prodi es schaffte, immerhin neun Monate durchzuhalten. Wenigstens die Partei- und Fraktionsführungen, von radikal links bis zur Mitte, hatten Prodis Mantra begriffen.

Für den Ministerpräsidenten ist das ein schwacher Trost. Wenn auch nur ein Abweichler reicht, um ihn in die Minderheit zu bringen, oder wenn drei Senatoren auf Lebenszeit der Koalition je nach Gusto Abstimmungsniederlagen zufügen können, muss man erkennen: Seine parlamentarische Basis ist einfach zu schmal.

Deshalb ist die Regierungskrise auch nicht damit bewältigt, dass jetzt die bisherigen Koalitionspartner die Reihen schließen. Romano Prodi ist nur zu bewusst, dass er im Senat neue Partner braucht. Unrealistisch erscheinen Kalküle, die christdemokratische UDC ins Bündnis zu holen: Auf der Linken würde Prodi zugleich die Unterstützung der Kommunisten verlieren. Stattdessen ist die Rede von zwei oder drei Senatoren der Opposition, die mit Silvio Berlusconi gebrochen haben. Sie könnten Prodi endlich eine knappe Mehrheit im Senat verschaffen – wenn er auf eine solche Lösung überhaupt Lust hat. Denn nur eines wäre so garantiert: eine Koalition, die sich weiterhin ihre Schwäche stark reden muss. MICHAEL BRAUN