: Horst Seehofer liebt sie alle
Der Verbraucherminister taucht überraschend auf dem Aschermittwoch der CDU im nordrhein-westfälischen Krefeld auf und wirbt als Charmeur für sich als CSU-Chef
KREFELD taz ■ Der Krefelder CDU-Parteivorsitzende Winfried Schittgen konnte sein Glück kaum fassen: Ausgerechnet der von ihm organisierte Aschermittwoch in der niederrheinischen Provinzstadt wurde in diesem Jahr zum „bedeutendsten Fischessen in der Bundesrepublik“. Entsprechend dankbar zeigten sich auch die 300 Gäste gegenüber ihrem Stargast von der bayerischen Schwesterpartei: Großer Applaus brandete auf, als Horst Seehofer um 20.25 Uhr den „Festsaal von der Leyen“ betrat.
Nur 26 Euro hatten die versammelten Christdemokraten zahlen müssen, um zwischen Wallerfilet auf Wonnekraut und Espresso Tiramisu mit Melbasauce von dem zurzeit meistdiskutierten Politiker der Republik unterhalten zu werden – ein Schnäppchen. Denn Seehofer nutzte die Zeit, um sehr unterhaltsam für sich als neuen CSU-Vorsitzenden zu werben. Sein Credo: „Solides Handwerk anstelle von Mundwerk“.
Nicht nur räumlich war der 57-Jährige am Aschermittwoch meilenweit vom „größten Stammtisch“ der Welt in der Passauer Drei-Länder-Halle entfernt. Der Kontrast hätte nicht größer sein können: dort in Bayern der sich selbst beweihräuchernde Edmund Stoiber; hier in Krefeld der im Understatement geübte Charmeur Seehofer, der mit sanfter Stimme sein Publikum bezirzte.
Er outete sich als „glühender Anhänger der Europäischen Union“, um im gleichen Satz für einen „ganz natürlichen Patriotismus“ zu plädieren. Damit bediente er zugleich Europafreunde und Konservative. Für die Fortschrittsgläubigen wetterte er gegen die Technologieskepsis und warb für Gentechnik, Atomkraft und Transrapid.
Andere Politiker erwähnt Seehofer nur namentlich, um sie zu loben. Eine geschickte Strategie, kann er doch so die jeweiligen Flügel in der Union wohlfeil bedienen: Da preist Seehofer die „erstklassige“ Angela Merkel ebenso wie Exkanzler Helmut Kohl, Norbert Blüm ebenso wie Friedrich Merz, dessen angekündigten Abschied er ausdrücklich bedauere. Zum Ausgleich bekam auch der ausgewiesene Merz-Gegner Jürgen Rüttgers seine Streicheleinheit: Eine „dem logischen Menschenverstand entsprechende Sozialpolitik“ betreibe dieser. „Da macht Ihr Ministerpräsident aus meiner Sicht einen sehr guten Weg.“
Selbstverständlich vergaß Seehofer auch denjenigen nicht, dessen Nachfolger er als CSU-Chef werden will: „Meine Partei wird auch noch merken, was wir an Edmund Stoiber gehabt haben“, antichambriert er. Wie Franz Josef Strauß zähle auch Stoiber zu jenen „Alphatypen“ aus der „allerersten Reihe“, von denen es nur ganz wenige in der Politik gebe. „Für jeden geht einmal die Zeit zu Ende, aber man muss das auch sauber und menschlich anständig gestalten.“
Während er die „gewaltige Rede“ Stoibers in Passau in höchsten Tönen lobte, setzte Seehofer sich inhaltlich gleichwohl von ihr deutlich ab. Er wolle „jetzt etwas sagen zu der abenteuerlichen Diskussion um Kinder und Familie“. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen habe recht, sprang er seiner unionsintern heftig attackierten Kabinettskollegin zur Seite. „Wir müssen in Deutschland mehr tun, um Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinbaren.“
Erst am Ende seiner Rede sagte Seehofer etwas zu seiner Kandidatur um den CSU-Vorsitz. „Ich bin Kandidat und ich bleibe Kandidat, und das werde ich auch in den nächsten Monaten massiv betreiben“, betonte er – und erntete Applaus. Sein Fernbleiben in Passau dürfe keineswegs als Resignation gedeutet werden. „Täuschen Sie sich nicht“, sagte Seehofer. „Gelassenheit darf nicht mit Mutlosigkeit verwechselt werden.“ PASCAL BEUCKER