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Archiv-Artikel

Das Sorgenkind

Georg Hettich, Olympiasieger von Turin in der Nordischen Kombination, kann in dieser Saison nicht mal ansatzweise an diesen Erfolg anknüpfen

VON KATHRIN ZEILMANN

Der Weltskiverband FIS hatte sich für die Kombinierer in diesem Winter etwas Neues einfallen lassen. Nur noch die 35 besten Athleten dürfen beim Einzel im zweiten Sprungdurchgang antreten, für alle anderen ist der normalerweise mit Springen und Langlaufen angefüllte Arbeitstag nach nur einem Sprung beendet. Und wie das meist so ist, dient die Regeländerung vor allem dazu, das Fernsehen mit Wettkämpfen zu bedienen.

Olympiasieger Georg Hettich behagt die neue Regelung nicht: Sowohl beim Auftakt in Kuusamo als auch beim Einzel am Samstag gehörte er nicht zu den 35 besten Springern und hatte schon am frühen Vormittag sein Tagwerk erledigt. „Ich weiß auch nicht, im Training lief es eigentlich wieder ganz gut“, sagte er in Lillehammer, wo ihm nur die Zuschauerrolle blieb, als sein Teamkollege Sebastian Haseney Rang zwei hinter Magnus Moan (Norwegen) erlief. Am Sonntag lief es im Sprint kaum besser für Hettich. Er kam nach schwacher Laufleistung nur auf Platz 24.

Hettich war ja klar gewesen, dass ihn seine olympischen Erfolge – neben Einzelgold gewann er noch Team-Silber und Sprint-Bronze – im kommenden Winter nicht automatisch von Sieg zu Sieg tragen würden. „Es ist wieder von vorn losgegangen. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Vor Olympia war ein Platz in den Top Ten ein Erfolg für mich, das gilt auch nach wie vor“, sagt er, bemüht darum, Olympia richtig einzuordnen – nämlich als geglückten Auftritt. Hettich hatte zuvor noch keinen Weltcup gewonnen, seiner Begabung schienen Grenzen gesetzt. Er weiß das, deshalb sagt er: „Den Olympiasieg kann mir aber keiner mehr nehmen.“ Noch immer blickt er selig drein, wenn er an Olympia denkt, als er sich für wenige Stunden vom Mitläufer in einen kaltschnäuzigen Siegertypen verwandelte.

Man kann nicht behaupten, Hettich sei wegen seiner Medaillen zum großen Star mutiert. Die Schau im deutschen Team haben ihm die Biathleten und vor allem der dreimal mit Gold dekorierte Michael Greis, der Bobpilot André Lange und die unbekümmerte Snowboarderin Amelie Kober gestohlen. Hettich, der nette, aber schüchterne Bursche aus Schonach, entwickelte auch nicht den Glamour und die Verrücktheiten, die wohl nötig sind, um über rote Teppiche schreiten und in Fernseh-Talkshows plaudern zu dürfen.

„Der Schorsch ist halt kein Gesellschafts-VIP“, sagt Sprungtrainer Andreas Bauer und will damit sagen, wie bodenständig Hettich geblieben ist. Im heimischen Schwarzwald jedoch waren sie mächtig stolz auf ihren Kombinations-Olympiasieger. „Ich hatte so viele Termine im Frühjahr“, seufzt er. „Ich hätte mir fast zu viel aufgeladen. Aber diese Erfahrung musste ich eben auch machen.“

Cheftrainer Hermann Weinbuch hat sich im Frühjahr ein wenig Sorgen um Hettich gemacht, weil dieser kein Anliegen ablehnte und fast jeden Termin zusagte. „Wir konnten noch eingreifen, dass er nicht übertreibt. Aber er wollte es eben jedem recht machen.“ Auf sein Studium der Medizintechnik mochte der 28-Jährige auch nicht verzichten, im kommenden Jahr will er seine Diplomarbeit beginnen.

Dazu kam eine Handverletzung, die operiert werden musste. „Und jetzt fehlen ihm fünfzig Basissprünge aus dem Sommer“, sagt Weinbuch. Eilige Reparaturarbeiten am Sprungstil im Herbst hätten nicht mehr den gewünschten Erfolg gebracht: „Der Schorsch ist unser Sorgenkind.“

Das neue FIS-Regelwerk ist umstritten, da es nach einem verpatzten Sprung keine Chance auf Verbesserung zulässt. Dabei findet Hettich, dass es im Langlaufen „gut wie eh und je klappt“. Die Gelegenheit, weite Sprünge und schnelle Läufe zu zeigen, will Hettich spätestens bei der WM im Februar in Sapporo nutzen. Laut Hettich dürfte eigentlich nichts schief gehen: „Sapporo ist nämlich meine Lieblingsschanze, da bin ich immer super zurechtgekommen.“