„Da haben wir noch etwas Zeit“

Der Berliner Ärztekammer-Präsident Jonitz über die Chancen, Teile der Gesundheitseform noch zu kippen

taz: Herr Jonitz, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wirft den Ärztefunktionären vor, die Patienten mit ihrem Streik in Geiselhaft zu nehmen.

Günther Jonitz: Diejenige, die die Patienten in Geiselhaft nimmt, ist die Ministerin. Sie unterliegt der irrigen Annahme, dass sie am grünen Tisch des Ministeriums einfach so Entscheidungen treffen kann, die für die Patienten katastrophale Folgen haben.

Welche Folgen denn?

Die Ärzte werden immer weniger Zeit für die Patienten haben. In Krankenhäusern werden sie nur noch möglichst schnell durchgeschleust werden.

Sie fordern, neues Geld in das System zu pumpen. Wie viel Geld bräuchte man denn?

Man bräuchte sicherlich einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Wenn die Politik ihre Zusagen einhalten und etwa die gesetzliche Krankenversicherung durch die Erhöhung der Tabaksteuer subventionieren würde, dann hätten wir auf einen Schlag fünf Milliarden Euro im System, ohne dass die Beiträge steigen.

Geht es nicht darum, die Pfründen der Ärzteschaft zu sichern?

Man muss sich von dem ein oder anderen Klischee verabschieden. Der Beruf der Ärzte ist mittlerweile ein Beruf, der dem des Lehrers entspricht. Zwei Drittel der Ärzte verdienen mittlerweile so viel wie ein Studienrat am Gymnasium.

Das ist auch nicht das schlechteste Honorar.

Allerdings bei einer ganz anderen Belastung! Wir haben ja keine 38,5-Stunden-Woche und keine sechs Wochen Sommerferien.

Wollen Sie wirklich noch die Reform des Gesundheitssystems kippen, die in der großen Koalition längst beschlossene Sache ist?

Es wird sich zeigen, welcher Widerstand sich in Bundestag und Bundesrat noch formiert. Nachdem sich das Ganze mittlerweile auf der Kanzlerinnenebene abspielt, halte ich es für schwierig, die ganze Reform zu stoppen. Wir können aber noch nachbessern. Der Gesundheitsfonds soll erst 2009 kommen. Da ist noch etwas Zeit.

Sie wollen das Gesetz also boykottieren?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat klar gesagt, dass sie das Gesetz so, wie es jetzt ist, nicht umsetzen wird. Dabei bleibt es.INTERVIEW: WOLF SCHMIDT