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Archiv-Artikel

Viel Nebel um den Qualmkompromiss

Nach der angeblichen Einigung beim Nichtraucherschutz wollen die Befürworter von Ausnahmen nicht so schnell aufgeben. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern halten an Sonderwegen fest. Eine Entscheidung fällt wohl erst Ende März

AUS BERLIN WOLF SCHMIDT

Eine Hintertür wird in den Kneipen künftig ins Raucherzimmer führen. Mehr Sorgen als um diese Raucherseparees machen sich Kritiker des Kompromisses, auf den sich die Gesundheitsminister beim Nichtraucherschutz geeinigt hatten, um ein anderes Hintertürchen: die Ausnahmen, die in einzelnen Bundesländer gelten sollen. „Unterschiedliche Regelungen können wir nicht akzeptieren“, erregte sich am Wochenende die Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Dagmar Schipanski.

In Gaststätten soll Rauchen nach der Einigung vom Freitag nur noch in luftdicht abgetrennten Räumen möglich sein. Der Beschluss fiel einstimmig. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen behielten sich allerdings Abweichungen vor. So beharrt der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) darauf, dass Eckkneipen Rauchergaststätten bleiben können und dies etwa mit einem R an der Tür kennzeichnen. „Wenn es hier und da eine Raucherkneipe gibt, geht die Welt davon nicht zugrunde“, sagte Wulff am Wochenende. Die Ausnahmen bezögen sich auf zehn Prozent der Gastrobetriebe, beschwichtigte er – auf kleine Kneipen, die aufgrund ihrer Größe kein Raucherseparee einrichten können.

Das sorgt für Verwirrung. Es sei unklar, welches Lokal denn eine „Eckkneipe“ sei, sagte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft. „Beim Nichtraucherschutz müssen wir klare Kante fahren“, sagte sie. Auch EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou verlangt ein komplettes Rauchverbot in Deutschland, ohne Ausnahmen.

Unklar ist auch, ob KellnerInnen in den abgetrennten Raucherräumen bedienen müssen oder nicht. Die Länder wollen den Bund offenbar beauftragen, die Arbeitsstättenverordnung zu ändern. So würden die Beschäftigten einen Anspruch auf Schutz vor dem krebserregenden Rauch erhalten. Sollte dies der Fall sein, müssten sich die Wirte mit den Arbeitnehmern einig werden, ob diese auch im Raucherraum bedienen wollen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sprach sich gegen Ausnahmeregelungen aus und warnte vor Wettbewerbsverzerrungen. „Die Entscheidung, ob Nichtraucher geschützt werden, wird sonst wieder in die Verantwortung des einzelnen Wirtes verlagert“, sagte sie. Die Befürworter von Ausnahmen wollen so schnell nicht aufgeben. Unterstützung erhält Wulff von seinem nordrhein-westfälischen Amtskollegen Jürgen Rüttgers (CDU). „Die Wirte sollen die Möglichkeit haben, ihr Lokal zum Raucherlokal zu erklären“, sagte er. Auch Bayern hält an einem Sonderweg fest: Bierzelte sollen zur Raucherzone erklärt werden können. Entsprechende Eckpunkte hat das bayerische Kabinett bereits beschlossen. „Hier bleibt Spielraum für die Veranstalter“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Schnappauf (CSU).

Eine endgültige Entscheidung, wie weit der Nichtraucherschutz in Gaststätten nun wirklich gehen soll, wird es erst am 22. März geben. Dann treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder. Mehrere von ihnen hatten in den vergangenen Wochen klargemacht, dass sie nicht ganz so weit gehen wollen wie ihre Gesundheitsminister. Den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz hat derzeit Ausnahmenbefürworter Christian Wulff.

(mit dpa, Reuters)