: Malikis Nachfolger ist kein Freund des Iran
IRAK Nach der Niederlage des amtierenden Ministerpräsidenten ist nun der Weg für eine neue Regierung unter Haider al-Abadi frei
VON INGA ROGG
ISTANBUL taz | Der amtierende irakische Regierungschef Nuri al-Maliki hat die Schlacht um die Macht verloren. Entschlossen und unnachgiebig stellte er sich am Montagabend vor die Kameras und kündigte den Kampf gegen die Nominierung seines Parteikollegen Haider al-Abadi an. Eine „gefährliche Verletzung“ der Verfassung sei dies, sagte er. „Wir werden diesen Fehler korrigieren.“ Gleichzeitig nannte er seine Ausbootung eine Verschwörung der USA.
Diese hatten Maliki, der besonders für die Sunniten unakzeptabel war, fallen gelassen. Inzwischen hat der Schiit aber auch die letzte Rückendeckung von Iran, des anderen großen Strippenziehers im Irak, verloren. Teheran unterstütze den legalen Prozess, einen Nachfolger zu finden, sagte Ali Schamkani, der Sekretär von Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, wie die amtliche Nachrichtenagentur Fars berichtete.
Mit den Iranern gingen auch zwei der größten schiitischen Milizen im Irak von Bord: die Badr-Organisation unter Führung von Transportminister Hadi al-Ameri und die Asaib Ahl Haqq von Kais Kasali. Die Milizen wurden von iranischen Revolutionswächtern aufgebaut und haben Chamenei die Gefolgschaft geschworen. Beide stellen Tausende von Kämpfern, die in den Kriegen im Irak und Syrien im Einsatz sind. Dass sie so stark werden konnten, verdanken sie auch Maliki, der ihnen freie Hand gegeben hat.
Sodann stellte sich auch noch Malikis Rechtsberater und Gefolgsmann hinter den Entscheid von Präsident Fuad Masum, Abadi mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Masum habe in Einklang mit Artikel 76 der Verfassung gehandelt, sagte Tarik Harb laut irakischen Medienberichten. Interessanterweise bezeichnete Harb nicht die Nationale Allianz, den Zusammenschluss aller schiitischen Parteien, sondern Malikis „Rechtsstaat“-Bündnis als größten Block. Indem 50 Abgeordnete hinter Abadis Kandidatur gestanden hätten, habe er die Mehrheit des „Rechtsstaat“ hinter sich, erklärte Harb.
Damit ist Maliki erledigt. Ihm bleibt jetzt nur noch übrig, den geordneten Rückzug anzutreten. Leicht wird die Regierungsbildung für Abadi aber nicht. Denn jetzt beginnt das große Geschacher um Posten. Er wird all die vielen kleinen Fraktionen von Schiiten, Sunniten und Kurden zufriedenstellen müssen. Entgegen kommt ihm dabei, dass er als Abgeordneter mit allen Seiten gute Beziehungen aufgebaut hat.
Der 62-Jährige, der aus einer angesehen Bagdader Arztfamilie stammt, ist wie Maliki Mitglied der Dawa-Partei, deren Führungsriege er angehört. Schon als 15-Jähriger schloss er sich der ältesten schiitisch-islamistischen Partei im Irak an. Wie viele Gegner des ehemaligen Saddam-Regimes musste er ins Exil fliehen. Er ging nach Großbritannien, wo er Ingenieurswissenschaften studierte. Zugleich stieg er zum Sprecher der Dawa-Partei auf. Nach seiner Rückkehr in den Irak wurde er unter der Interimsregierung von Ajad Allawi im Jahr 2004 Minister für Telekommunikation. Später bestellte ihn Maliki zu einem seiner Berater, bevor er 2006 Mitglied des Parlaments wurde. Im Abgeordnetenhaus, das ihn im Juli zu seinem stellvertretenden Präsidenten wählte, fanden Journalisten in ihm einen Politiker, der freundlich Auskunft über die Wechselfälle der irakischen Politik gab. Im Gegensatz zu vielen hohen Dawa-Vertretern ist Abadi nicht mit konfessionalistischen Ausfällen gegen die Sunniten aufgefallen. Er gilt auch nicht als Parteigänger Irans. So soll er das Nachbarland in den letzten zehn Jahren kein einziges Mal besucht haben. Als großer Manager gilt der Elektroingenieur freilich nicht. Auch hat er sich bisher nicht mit politischen Visionen hervorgetan. Abgeordnete, die ihn lange kennen, sagen jedoch, er sei ein Brückenbauer. Und das ist es wohl, was der Irak derzeit am dringendsten braucht.