: Deutsch für Fortgeschrittene
Die Hamburger Türkin Çansu Yilmaz hat das Bleiberecht bekommen. Doch obwohl sie perfekt Deutsch spricht, soll sie nun einen Deutschkurs besuchen. Die Ausländerbehörde glaubt, dass sie sich nicht auf Deutsch verständigen kann
Die Geschichte erinnert an Benjamin Lebert, jenen Jungschriftsteller, der mit dem Roman „Crazy“ berühmt wurde, die Schule abbrach und später auf die Idee kam, seinen Hauptschulabschluss nachzuholen. Sein eigener Roman war zu diesem Zeitpunkt bereits Schullektüre – allerdings nicht in der Hauptschule, auf die Benjamin Lebert ging. Für die galt das Buch als zu schwierig.
Çansu Yilmaz, 13, ist Klassensprecherin der 7c in der Hamburger Geschwister-Scholl-Gesamtschule. Das Mädchen, das mit drei Monaten nach Deutschland kam, hat gute Noten. Wenn sie mit Akzent spricht, dann mit einem hamburgischen. Im Behördendeutsch nennt man das „gut integriert“.
Trotzdem hat Çansu jetzt ein Schreiben der Ausländerbehörde bekommen. „Sie sind verpflichtet, am Integrationskurs teilzunehmen“, schreibt die Behörde, „denn Sie haben einen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs nach Paragraf 44 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes.“
Der Fall von Çansu Yilmaz hat in Hamburg schon öfter Schlagzeilen gemacht. Ursprünglich sollte das Mädchen zusammen mit ihrer Mutter abgeschoben werden, weil die illegal nach Deutschland eingereist war. Dann bekam zwar Çansu eine Aufenthaltsgenehmigung, nicht aber ihre Mutter. Schließlich erklärte sich der Innensenator Udo Nagel bereit, die Mutter so lange in Hamburg zu dulden, bis ihre Tochter 18 ist. Das war im Januar dieses Jahres.
Um so überraschender kommt jetzt das Schreiben der Ausländerbehörde. Çansu, so heißt es dort, sei „nicht in der Lage, sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich zu verständigen“. Die Behörde glaubt, das von Çansus letztem Besuch zu wissen. „Als Sie am 21. 2. 2007 in der Ausländerdienststelle vorsprachen, konnten Sie sich nicht selbst mündlich auf Deutsch verständlich machen.“
Çansu sagt, dass sie auf dem Amt gar nichts gesagt habe, sie habe das Reden einem ihrer beiden Anwälte überlassen. „Es könnte ja sein, das ich was Falsches sage.“ Auch ihr anderer Anwalt, Cornelius J. Weimar, kann sich nicht erklären, wie die Behörde zur ihrer Einschätzung von Çansus Sprachfähigkeiten gelangt ist. Er habe dort noch einmal vorgesprochen und das letzte Zeugnis von Çansu vorgelegt. In Deutsch steht dort eine Eins. „Die Mitarbeiter ließ das unbeeindruckt“, berichtet Weimar. Sie hätten nur gesagt, die Anweisung komme „von oben“.
Die Ausländerbehörde war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Doch es ist kein Geheimnis, dass der Hamburger Innensenator Udo Nagel das Bleiberecht im Fall Çansu nur widerwillig erteilt hat. Mehrmals standen Tochter und Mutter kurz vor der Abschiebung. Erst als sich die Härtefallkommission einschaltete, gab der Senator nach.
Çansu sagt, den Integrationskurs finde sie in ihrem Fall „völlig blödsinnig“. Ihre Anwälte haben bereits Widerspruch eingelegt. DANIEL WIESE