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Archiv-Artikel

Gutachter für Theater

Hamburg startet als erstes nördliches Bundesland eine aufwendige Evaluierung der Privattheater. Ziel sind Umverteilung und Befristung der institutionellen Förderung

Sie stagniert seit zehn Jahren, wird als „historisch gewachsen“ bezeichnet, und das erzeugt Unmut: Die Neuordnung der institutionellen Förderung für Privattheater hat sich die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) jetzt vorgenommen. Ein Desiderat, das die Szene seit Jahren bewegt – nicht nur in Hamburg: In Wien und Berlin wurden solche Evaluationen bereits durchgeführt, Köln und Stuttgart zögern noch.

In den norddeutschen Bundesländern hat es bislang kein vergleichbares Projekt gegeben, und das aus gutem Grund: Aufwendig gestaltet sich die in den nächsten Monaten beginnende Evaluation der bis zu 30 Hamburger Privattheater, die sich bis 31. März um 4,8 Millionen Euro Basisförderung bewerben können. Drei externe Gutachter aus Theater und Wirtschaft hat die Kulturbehörde hierfür gewonnen. Ein Jahr haben sie Zeit, um Kriterien für die Bewertung der Theater zu entwickeln; in einem abschließenden Gutachten sollen sie der Kulturbehörde Vorschläge für Höhe und Struktur der Förderung unterbreiten. Welche Kriterien sie anlegen werden? „Neben künstlerischen Gesichtspunkten könnte das die Publikumsresonanz und die Einbindung in den Stadtteil sein“, sagt von Welck.

Wichtigste strukturelle Neuerung wird indes die – bislang unübliche – Befristung der institutionellen Förderung sein: Für maximal vier Jahre können Privattheater künftig Basisförderung beantragen. Danach wird neu evaluiert. „Natürlich nicht jedes Mal anhand anderer Kriterien“, sagt von Welck. Sie will die Neuordnung vor allem deshalb, „weil wir dann auch neu gegründete Theater berücksichtigen und mit dem Geld flexibler umgehen können“. Ob sie ihren Senatskollegen aber für den Kulturhaushalt 2009/2010 mehr Geld für die Theater wird abtrotzen können, steht dahin.

Ein kleine Merkwürdigkeit birgt das Hamburger Prozedere außerdem – in puncto Projektförderung, über deren Struktur die externen Gutachter gleichfalls entscheiden sollen. Denn obwohl von Transparenz und Gleichbehandlung die Rede ist, erfährt das Hamburger St. Pauli Theater, das neuerdings anstelle publikumsträchtiger Gastspiele teure Eigenproduktionen bietet, eine Sonderbehandlung. „Damit das Theater bis zum Inkrafttreten der Evaluation zur Spielzeit 2009/2010 überleben kann,“ sagt die Senatorin, wird es – wie 2006 – die Hälfte der kurz zuvor verdoppelten Privattheater-Projektgelder bekommen.

Ein Privileg, das umstritten ist. Denn wenn auch von Welck sagt, dass „wir das St. Pauli-Theater doch alle wollen“, ist sich die Szene da keineswegs einig. Abgesehen davon kann es passieren, dass das St. Pauli Theater trotz der Fördergelder nicht überleben wird. Denn für die Bewerbung um institutionelle Förderung müssen die Theater ihre Geschäftsbücher offen legen und die Wirtschaftlichkeit ihrer Kalkulation nachweisen. Sollten die Gutachter die nicht überzeugend finden, wäre die Vorab-Privilegierung sinnlos gewesen und entbehrte auch im Nachhinein jeder Rechtfertigung. PETRA SCHELLEN