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Archiv-Artikel

Nichts wie weg!

Nach dem 0:2 in Barcelona und dem Aus in der Champions League stellt Werder Bremen fest, dass magische Momente nicht programmierbar sind

Es war ein überaus lehrreicher Abend. Werder stand staunend Staffage

AUS BARCELONA FRANK HELLMANN

Nichts wie weg am spanischen Nationalfeiertag. Nur fort aus dieser wunderschönen Stadt. Im Sauseschritt hasteten die bedienten Protagonisten des Sportvereins Werder Bremen am gestrigen Vormittag zur bereitstehenden Chartermaschine am Flughafen von Barcelona – genau wie die hanseatischen Fanhorden sich bedröppelt zu ihrem Gate trollten. Irgendwie schien es, als wolle kaum ein Bremer länger als nötig in der pulsierenden Metropole verweilen. Zu heftig war die Abreibung ausgefallen, die der Titelverteidiger der Champions League den so hoffnungsvoll angereisten Norddeutschen verpasst hatte. Das Zustandekommen der 0:2-Niederlage ernüchterte die in der Liga zuletzt so beschwingten Überflieger. Dieser Abend trug Züge einer Abreibung.

Geburtstagskind und Sportchef Klaus Allofs war es, der noch nächtens im Bauch der Betonschüssel alles tat, um negative Eindrücke zu verwischen: „Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die noch in der Entwicklung ist. Es hätte eines besonderen Momentes bedurft, um Barca zu schlagen.“

Doch diese magischen Momente zauberten nur Ronaldinho und die katalanischen Kollegen auf den Rasen. Persönlich verwandelte der Weltfußballer einen Freistoß „aus der Wundertüte“ (Werders Abwehrhüne Per Mertesacker) unter der Mauer zum 1:0 (13.). „Ich habe darauf spekuliert, dass sie hoch springen“, feixte Ronaldinho, „also habe ich in dieser Woche immer trainiert, den Ball flach durch die Mauer zu schießen.“

Der Kunstschuss war der Anfang vom Ende – und für Trainer Thomas Schaaf der Anlass, Grundsätzliches zu hinterfragen: „Bei unseren großen Leuten reicht es doch, sich auf die Zehenspitzen zu stellen.“ Als nach traumhafter Kombination über Ronaldinho und Giuly der Isländer Eidur Gudjohnsen zum 2:0 vollstreckte, war das vermeintliche Endspiel bereits nach 18 Minuten entschieden. „Ich hätte gerne gesehen, dass Barca nervös geworden wäre“, sagte Allofs, „aber wir beurteilen unser Team nicht nach einem Spiel an einem Tag: Von unseren drei Spielzeiten in der Champions League war das die stärkste. Wer hat denn vorher erwartet, in dieser Gruppe zehn Punkte zu holen?“

Das mag stimmen. Und gewiss darf Allofs die wirtschaftlichen Gegebenheiten erwähnen, schließlich kassiert Bremen 23 Millionen Euro, Barcelona dagegen 143 Millionen aus dem nationalen TV-Vertrag. Und doch war Werder mehr zugetraut worden, als eine halbe Stunde lang nur Beiwerk für ein brillantes wie berauschtes, von Ronaldinho, Deco oder Iniesta leichtfüßig geführtes Barca-Ensemble zu mimen.

Mitunter staunend Staffage zu stehen: ein Umstand, der Mertesacker mächtig vergrätzte: „Es lag an unserer eigenen Blödheit. Wir wollten mehr Mut und Leidenschaft zeigen. Die erste Halbzeit war der Champions League nicht würdig.“ Hingegen urteilte Tim Wiese selbstgerecht: „Wir gehen mit erhobenem Kopf.“ Neben den Brasilianern Naldo und Diego zählte der Torwart zu den Einzigen, die der Klasse der Katalanen auf deren Niveau trotzten.

„Ich bin enttäuscht“, konstatierte Thomas Schaaf. Immerhin der Gegner spendete Trost: „Die zweite Halbzeit hat gezeigt, dass Bremen eine gute Mannschaft hat“, sagte Barca-Coach Frank Rijkaard, „ich habe großen Respekt vor dem deutschen Fußball.“ Vielleicht waren es diese artig auf Deutsch ausgesprochenen Komplimente, die Werders Trainer milde stimmten. Unaufgeregt suchte der 45-Jährige in der Gesamtbetrachtung nach dem positiven grün-weißen Extrakt – und fand ihn alsbald. „Dass es überhaupt zu diesem Endspiel gekommen ist, dass so viele Leute mit Werder mitgefiebert haben, das sind Zeichen, dass wir Tolles geleistet haben.“

Doch auch ihm wird nicht entgangen sein: Sogar ganz oben im dritten Rang des mächtigen Camp Nou, beinahe dem Himmel nah, wo die tausenden Werder-Fans saßen, dauerte es lange, den passenden Kanon für diesen lehrreichen Abend zu finden. Das ewig gestrige „Wir holen den U-U-Uefa-Cup und werden Deutscher Meister“ diente später auf den Ramblas am ehesten dazu, die Enttäuschung zu mildern. Selten hatte dieser Song wohl solche Berechtigung, denn andere Ziele bleiben Werder nun vorerst nicht mehr. Der Gegner für die Februar-Begegnungen des Uefa-Cups wird am 15. Dezember ausgelost. Der FC Barcelona hingegen, sagt nicht nur Klaus Allofs voraus, „wird in der Champions League nicht so schnell ausscheiden“.

Werders Sportdirektor machte noch in der Nacht zum Nikolaus auf bescheidene bremische Vorfreude: „Der Uefa-Cup ist kein Döner- und kein Verlierer-Cup: Wir wollen in diesem Wettbewerb durchmarschieren.“ Und noch etwas: „Wir wollen als Tabellenführer in die Winterpause.“ Schaaf verspricht: „Das Ausscheiden wird auf die Bundesliga keine Auswirkungen haben.“ Der Beweis steht am Samstag bei Eintracht Frankfurt an.