piwik no script img

Archiv-Artikel

Bauer-Power

Der ostdeutsche Strukturwandel wird serientauglich: die neue Reihe „Allein unter Bauern“ (Sat.1, 20.15 Uhr)

„Vor 30 Stunden war ich noch der König der Welt, und jetzt bin ich tot in diesem Dreckskaff.“ Gemeint ist das idyllische Dörfchen Kudrow in Brandenburg, der vermeintlich Tote ist der aalglatte Johannes Waller (Christoph M. Ohrt), der eigentlich gerade Außenminister zu werden hoffte – und sich kurz vor dem Ziel im Zusammenspiel mit einer österreichischen Diplomatengattin ins Abseits vögelte: „Der schlimmste diplomatische Skandal seit dem Anschluss“, raunt sein Referent.

Was das mit Kudrow zu tun hat? Johannes Waller ist dort dank seines nicht richtig arbeitenden Navigationssystems: Statt auf die Bundeskanzlerin, die er in Brandenburg zu finden hoffte, um seinen Hals zu retten, trifft er auf die schöne junge Landärztin Barbara Heinen (Julia Koschitz), in deren Gartenhäuschen er seine Limousine rammt, als er einer Kuh auszuweichen versucht. Sie versorgt wenigstens seine Kopfwunde: Boy meets Girl. Waller wird in Kudrow bleiben und Bürgermeister werden. Er ist seinen Job los, das Rathaus steht ohnehin leer: „Es ist ein Amt, ich bin Politiker. Ich kann nichts anderes.“

Die Macher der Erfolgsserie „Edel & Starck“, Regisseur Ulrich Zrenner und Autor Marc Terjung, haben ihrem Star Christoph M. Ohrt eine neue Rolle auf den Leib geschneidert. Wieder spielt er einen gelernten Anwalt, dieses Mal jedoch einen mit politischen Ambitionen. In gelegentlich etwas zu gewollt wirkender Überzeichnung gibt Ohrt den schmierigen Karrierepolitiker, der nichts als Worthülsen absondert, sein Lächeln für die Kameras an- und ausknipst. Stets ist er bereit für eine telegene Pose: „Kinder sind unsere Zukunft. Ich will etwas für Deutschland erreichen. Nur die Menschen zählen, hier draußen.“

Diese Komödie lebt von vielen miteinander kontrastierenden Klischees. Das kalte, böse, wichtigtuerische Berlin gegen das idyllische, bodenständige Dorf in Brandenburg. Der karrieregeile Berufspolitiker gegen den glaubwürdigen, um die wirklichen Probleme der Menschen besorgten Provinzbürgermeister. Zusammen mit dem in jedem Klischee enthaltenen Körnchen Wahrheit machen diese Überzeichnungen durchaus Spaß, etwa wenn ein filmischer Rundgang durch das authentisch-verpennte, aus westdeutscher Perspektive „skurrile“ Kudrow mit Scott McKenzies „San Francisco“ untermalt wird – und gleichzeitig nicht verschwiegen wird, dass die Jungen das Dorf nach und nach verlassen.

Eine Unterhaltungsserie ausgerechnet dort anzusiedeln, wo sonst kein Mensch hinblicken mag, ist keine schlechte Idee: Der Strukturwandel in der ostdeutschen Provinz ist zwar nicht immer zum Lachen. Aber dennoch ein gesellschaftlich wichtiges Thema. MARTIN REICHERT