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Archiv-Artikel

Bund bürgt für Ilisu-Staudamm

Angebliche Zusagen der türkischen Regierung sollen eine Hermes-Kreditabsicherung für das Mammutprojekt rechtfertigen. Kritiker halten das jedoch für wenig glaubwürdig

BERLIN taz ■ Die Bundesrepublik hat überraschend eine grundsätzliche Zusage gemacht, den umstrittenen türkischen Großstaudamm Ilisu mit Hermes-Bürgschaften abzusichern. Damit wird der Bau des 1.200-Megawatt-Kraftwerks immer wahrscheinlicher. Laut dem Antrag der Baufirma Züblin, die an dem Projekt beteiligt ist, wird der Bund eine Exportkreditgarantie in Höhe von 100 Millionen Euro übernehmen.

Der Staudamm soll den Fluss Tigris im anatolischen Teil der Türkei in einen 300 Quadratkilometer großen See verwandeln. Die Bauzeit wird auf sieben Jahre angesetzt. Kosten für das Projekt: 2 Milliarden Euro. Davon sollen 800 Millionen Euro für die Umsiedlung von 55.000 Menschen, den Schutz von Kulturgütern und der Umwelt ausgegeben werden.

Die Zusage des Bundes wurde trotz der anhaltenden Kritik an dem Bau von Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Türkei gemacht. Die Bundesregierung beteilige sich damit an einem Projekt, das der Artenvielfalt und den Menschen in der Region schade, sagt Heike Drillisch von der Nichtregierungsorganisation Weed. Der Staudamm werde gegen den erklärten Willen von über 70 Verbänden aus der betroffenen Region gebaut. Partizipation habe praktisch nicht stattgefunden. Es fehle an Transparenz. Dazu kommen der irreparable Eingriff in die Natur. „Es ist nicht vorstellbar, dass die Artenvielfalt erhalten werden kann“, sagt Drillisch.

Über die plötzliche Entscheidung für die Bürgschaft zeigte sich Drillisch erstaunt. Eine Mitteilung sei lediglich „heimlich“ auf der Webseite der AGA, der Auslandsgeschäftsabsicherung der Bundesrepublik Deutschland, veröffentlicht worden.

Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, bezeichnete den Beschluss als „Katastrophe“. Das gelte vor allem für die vielen noch unentdeckten Kulturgüter. „Von denen wissen wir nur, dass sie einen unschätzbaren Wert haben“, sagte Koczy. „Jetzt sind sie unwiederbringlich im Wasser verloren.“ Das Projekt berge überdies Risiken in der Stromversorgung. Die Netze in der Türkei seien zu schwach, um den Strom aus dem neuen Kraftwerk aufzunehmen.

Die Bundesregierung verweist dagegen auf neue Zusagen aus dem türkischen Energieministerium, „einer Reihe von Auflagen und Bedingungen zuzustimmen“, heißt es in einer Mitteilung der AGA. Die sollen sicherstellen, dass das Projekt „internationalen Anforderungen entspricht“. Demnach sollen den umzusiedelnden Menschen neue Dörfer gebaut, gleichwertiges Land und Arbeit gegeben werden. Die bedrohten Kulturdenkmäler der Stadt Hasankeyf sollen in einem neu zu schaffenden Kulturpark ausgestellt werden. Die Tigris-Anrainerstaaten sollen Garantien für die Wasserversorgung bekommen.

Für Heike Drillisch ist das „nicht glaubwürdig“. Was da „in geheimer Runde besprochen worden sein soll, ist für uns nicht überprüfbar“. Die Grünen-Politikerin Ute Koczy stimmt dem zu: „Auflagen, die zivilgesellschaftlich nicht geprüft werden können, sind keine Auflagen.“ Es sei „eine Schande“, dass sich die Bundesregierung an so einem Projekt beteilige. THORSTEN DENKLER