Die Probleme der Eurozone wandern nach Norden

BIP Wirtschaft stagniert. Schrumpfkurs in Deutschland, Plus in Spanien und Portugal

„Die Risiken aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld haben sich fraglos erhöht“

S. GABRIEL, WIRTSCHAFTSMINISTER

BERLIN rtr/taz | Die Wirtschaft in der Eurozone ist im Frühjahr nicht vom Fleck gekommen. Vor allem die Flaute in den drei größten Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien sorgte dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Währungsraum zwischen April und Juni auf dem Niveau des Vorquartals verharrte. Die sogenannten Krisenstaaten wie Spanien und Portugal erreichten dagegen laut Statistikamt Eurostat ein Wachstum von je 0,6 Prozent – von sehr niedrigem Niveau. Ein Sprecher der EU-Kommission lobte die „kühnen Reformen“, die beide Länder in den vergangenen Jahren verfolgt hätten.

„Die Probleme des Euro-Raums sind inzwischen nach Norden gewandert“, erklärten die Volkswirte der Commerzbank. In Deutschland schrumpfte die Wirtschaft überraschend um 0,2 Prozent – und damit so stark wie seit gut einem Jahr nicht mehr. Berechnet wurde das BIP erstmals nach einem neuen Verfahren, das auch Forschungsinvestitionen und Schattenwirtschaft einbezieht. Dadurch liegen die absoluten Werte der Wirtschaftsleistung um rund 3 Prozent höher. Weil aber auch die Werte aus der Vergangenheit entsprechend neu berechnet wurden, ergibt sich ein Minus. In Frankreich stagnierte das Wachstum, Italien rutschte mit einem BIP-Minus von 0,2 Prozent zurück in die Rezession.

Im ersten Jahresquartal hatten die 18 Länder der Währungsunion noch um 0,2 Prozent zugelegt. Danach machte sich allerdings Unsicherheit über die Folgen der Ukrainekrise breit. Dies bekam auch die größte Volkswirtschaft der Eurozone zu spüren: Deutsche Firmen gaben weniger für Maschinen und Anlagen aus. Zudem sanken die Bauinvestitionen, da viele wegen des milden Winters bereits auf den Jahresbeginn vorgezogen worden waren. Im dritten und vierten Quartal rechnet Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zwar wieder mit Wachstum. Er warnte aber: „Die Risiken aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld haben sich fraglos erhöht.“

Es gab auch Wachstum: Das kräftigste in der EU verzeichnete Lettland mit 1,0 Prozent, gefolgt von den Nichteurostaaten Großbritannien, Ungarn und Litauen.

Für Frankreich sind die Aussichten dagegen weniger rosig. Die Regierung in Paris halbierte ihre Wachstumsprognose für 2014 auf 0,5 Prozent und rechnet nun mit einer höheren Neuverschuldung. „Die Wahrheit ist, dass Frankreich als direkte Folge der schleppenden Konjunktur und der ungenügenden Inflation seine Defizitziele in diesem Jahr nicht erreichen wird“, schrieb Finanzminister Michel Sapin in einem Beitrag für Le Monde. KSC

Meinung + Diskussion SEITE 12