: Vom Touristen zum Straßenfeger
GESCHÄFTSIDEE Alle Jahre fährt Jens-Gerrit Eisfeld nach Rumänien, um Pappelflaum zu ernten; in Deutschland werden damit Bettdecken gefüllt
VON PETRA JACOB
Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Bunt gestrichen und verziert die Häuser, üppige Gärten hinter hohen Zäunen, Plumpsklos und Ziehbrunnen. Dunkelhäutige Gesichter mit ausladender Haarpracht in kunterbunt zusammengewürfelten Kleidern und Mänteln gucken neugierig ins Auto und heben die Hand zum Gruß. Auf der unbefestigten Dorfstraße von Lanurile kommt man nur im Schritttempo voran.
Ein Sonntag im Mai in der Großen Walachei. Dicke Regenwolken ziehen auf und bauen sich zu einem furchterregenden Gebilde zusammen. „Haide, haide“, ruft Jens-Gerrit Eisfeld seinen drei Mitarbeitern zu. Es sind der sportliche Bibi (22), der auf die Bäume klettert, sein Cousin Nucolai (24) und dessen Bruder Adi (22). Bibi, der Fitteste von den dreien, hängt angegurtet zwanzig Meter über dem Boden in einer Baumkrone, sägt Äste ab und lässt sie zu Boden fallen. Die anderen sitzen zwischen einem Berg Grünzeug, schnippen weiße Enden von den Ästen ab und stopfen das weiche Etwas in engmaschige Säcke. Weißer Flaum hängt ihnen im Haar und in den Kleidern, „puf de plop“ nennen sie das fluffige Zeug, den Pappelflaum. „Das sind die Samenfasern, die dem Samen der Pappeln bei der Windverbreitung helfen“, erklärt Eisfeld, der Chef des Ernteteams, und greift in den flauschigen Berg.
Schauplatz ist die walachische Tiefebene, südwestlich von Braila, an der mittleren Ostgrenze Rumäniens. Die Männer stehen auf einer – für diese Gegend typischen – von Pappeln gesäumten Allee und sind mitten in der Pappelflaumernte. Jens-Gerrit Eisfeld, der aus Norddeutschland stammt, ist inzwischen Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Pappillon GmbH. Die Firma ist in Straubing ansässig und vertreibt natürliche Wohnprodukte.
Die Geschäftsidee entstand während seines Forstwirtschaftsstudiums in Freiburg im Breisgau. „Viele Gemeinden wurden dort im Sommer vom Pappelflaum regelrecht zugeschneit“, erinnert er sich. Damals entwickelte er ein Verfahren, mit dem die feinen Flusen zu Füllmaterial verarbeitet werden können, und meldete es zum Patent an. „Pappelflaum besteht wie Baumwolle aus Zellulose, die Fasern sind viel feiner und leichter als Baumwollfasern und somit ideal zum Füllen von Oberbetten“, erklärt er.
Im Niederungsland der Donau, das nur knapp zwanzig Kilometer östlich von hier verläuft, herrschen ideale Bedingungen für die Pappel. „Sie mögen es gerne feucht“, weiß Eisfeld. „Ich hab damals bei einer Reise hierher alle Straßen abgesucht, inzwischen kenne ich jede Pappel in der Moldau und der östlichen Walachei.
Er war begeistert von dem, was er vorfand: „Es gibt keine bessere Qualität als hier“, schwärmt er. Außerdem waren – wie damals in Freiburg – auch hier die Behörden froh, den Pappelflaum von den Straßen zu haben, und er bekam vom Bezirk Braila die Erlaubnis, an allen Pappeln im Landkreis zu ernten.