Prodi kommt noch mal davon

Mit fünf Stimmen Mehrheit gewinnt Italiens Regierung die Vertrauensabstimmung im Senat

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Mit knappem Vorsprung hat Italiens Ministerpräsident Romano Prodi die Vertrauensabstimmung im Senat für sich entschieden. Damit ist die vor einer Woche ausgebrochene Regierungskrise vorerst beendet, denn das heutige Votum im Abgeordnetenhaus gilt angesichts der dort gegebenen klaren Regierungsmehrheit nur als Formsache.

162 zu 157 lautete am Mittwochabend das Abstimmungsresultat im Senat. Für Prodi hatten alle Senatoren seiner Koalition gestimmt, auch jene beiden kommunistischen Dissidenten, die eine Woche zuvor der Resolution zur Außenpolitik der Regierung nicht hatten zustimmen wollen. Damit hatten sie zu jener Abstimmungsniederlage beigetragen, auf die Prodi mit seinem Rücktrittsgesuch reagierte. Verstärkung erhielt die Regierung in der Vertrauensabstimmung auch durch den in den Reihen der oppositionellen Christdemokraten gewählten Senator Marco Follini, den früheren Vizepremier in der 2006 abgewählten Berlusconi-Regierung. Zudem votierten vier der sieben Senatoren auf Lebenszeit für Prodi.

Der durfte sich deshalb über die von Staatspräsident Giorgio Napolitano verlangte „doppelte Mehrheit“ freuen: Mehrheit nicht nur bei den Stimmen insgesamt, sondern auch unter den gewählten Senatoren, sprich ohne die greisen Honoratioren, die auf Lebenszeit dem Hohen Haus angehören.

Doch gestärkt geht Prodi nicht aus dieser Krise hervor. Niemand in Rom glaubt ernsthaft, die Koalition könne die Legislatur bis zum Frühjahr 2011 überdauern. Bezeichnend war das Verhalten des Regierungschefs im Verlauf der Krise. Vergangene Woche, unmittelbar nach Einreichung seines Rücktritts, verlangte Prodi quasidiktatorische Vollmachten innerhalb der Koalition. Alle nickten, doch gleich darauf hatten sich die Koalitionspartner unter reger Beteiligung der Gewerkschaften wieder über die bald anstehende Rentenreform in den Haaren. Prodi begriff das Signal. Am Dienstag Abend hielt er zum Auftakt der Vertrauensdebatte eine Rede, in der nach bester italienischer christdemokratischer Tradition alles weichgespült wurde. Allzu offenkundig war das Ansinnen, bloß keinen Partner mit klaren Ansagen zu verprellen.

Unmittelbar ist dieses Kalkül aufgegangen. Doch es ist offenkundig, dass Prodis politische Mehrheit nur auf dem Papier existiert. Die beiden kommunistischen Abweichler, die jetzt mit Ja stimmten, unterliegen als Unabhängige keinerlei Koalitionsdisziplin mehr. Schon in der zweiten Märzhälfte steht die Abstimmung über die weitere Finanzierung des Kontingents in Afghanistan an, die Prodi nur mit den Stimmen der Rechtsopposition gewinnen kann. Und noch in diesem Jahr muss die Regierung an die Rentenreform.

Prodi weiß nur zu genau, wie es um sein Bündnis steht. Er machte deshalb der Opposition ein klares Angebot: die gemeinsame Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes. Was er nicht sagte, lasen alle politischen Beobachter in diese Worte hinein: Nach der Billigung eines neuen Wahlrechts wäre der Weg zu vorgezogenen Neuwahlen frei.