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Archiv-Artikel

Ackern gegen neues Gen-Gesetz

Minister Seehofers Pläne zur Gentechnik provozieren Umweltschützer und Biobauern

BERLIN taz ■ Die Kritik kam prompt: Kaum hat CSU-Bundesagrarminister Horst Seehofer seine Eckpunkte für ein neues Gentechnikgesetz vorgelegt, meldeten sich Umweltschützer, Biobauern und Forscher zu Wort.

Das Papier sei ein „Freibrief für großflächige gentechnische Verunreinigungen“, schimpfte gestern Thomas Dosch, Chef des Anbauverbandes Bioland. Und Greenpeace urteilte: „nicht ausreichend!“ Lothar Willmitzer, dem Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie, ist Seehofers Plan indes zu restriktiv: Für die Forschung sei „nichts gelöst“.

Dabei verspricht Seehofer vor allem den Forschern Erleichterungen: Schäden, die durch Forschung mit Genpflanzen entstehen, sollen künftig aus der Staatskasse bezahlt werden. Bisher mussten die Forschungsinstitutionen selbst dafür aufkommen. Doch die Wissenschaftler hatten sogar verlangt, dass ihre Freisetzungexperimente überhaupt nicht mehr unter die Haftungsregelungen fallen.

Sie wollten, dass die mit ihren Genabschnitten verunreinigte Ernte in den Handel gebracht werden darf. Hier hatte jedoch die EU-Kommission klargestellt, dass dies nicht zulässig sei. Denn ansonsten würden auch fremde Gene in den Handel kommen, deren Gefahrenpotenzial noch nicht einmal grob abschätzbar wäre.

Seehofer hat darüber hinaus vor, im Vergleich zu den derzeit gültigen Reglungen die Haftung abzuschwächen. Bisher konnte ein Gentech-Anbauer – egal ob Landwirt oder Forscher – für alle von seinen Feldern ausgehenden gentechnischen Verunreinigungen haftbar gemacht werden. Beispiel: Der Gentech-frei produzierende Nachbar weist einen Schaden nach. Er kann seine Ernte nicht mehr mit dem vom Abnehmer geforderten Reinheitsgrad liefern – und muss sie unter Preis verkaufen. Mittlerweile verlangen viele Verarbeiter von ihren Landwirten, dass die gelieferte Ware möglichst nicht mit Gentechnik verunreinigt ist. Vertraglich ist oftmals ein Wert festgelegt, der weit unter der Kennzeichnungsschwelle von 0,9 Prozent für Gentech-Lebensmittel liegt.

Seehofer will diesen Wert jetzt auch als Haftungsgrenze einführen. Schadensersatz soll nur noch gezahlt werden, wenn die Ernte mit mehr als 0,9 Prozent Gentechnik kontaminiert ist. „Damit würde der Großteil der Haftungsfälle künftig nicht mehr entschädigt werden“, warnt Bioland-Chef Dosch. „Die Bauern bleiben auf ihrer verunreinigten Ernte sitzen.“

WOLFGANG LÖHR