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Archiv-Artikel

Ein einvernehmliches Ende

Die Zahl der Scheidungen sinkt, sagt die Statistik. Gleichzeitig steigt die Zahl der problematischen Scheidungen, fügen Experten hinzu – und da hat bekanntlich vor allem das Kind nur wenig zu lachen

Wenn beide Geschiedenen das Sorgerecht behalten, wird ausgerechnet der Umgang mit dem Kind zum Krisenherd

VON BARBARA DRIBBUSCH

Die Nachricht klingt gut – die Wirklichkeit dahinter ist es nicht. „Zahl der Ehescheidungen geht im Jahr 2005 auf 201.700 zurück“, meldete gestern das Statistische Bundesamt. Zudem sinke der Anteil der Scheidungen, bei denen nur die Frau oder nur der Mann den Scheidungsantrag stellten. Zunehmend beantragten beide Gatten die Auflösung der Ehe.

Halten Paare jetzt wieder mehr zusammen als früher? Trennen sich Männer und Frauen häufiger einvernehmlich? Oder heiraten nur noch Menschen, die sich wirklich und auf Dauer lieben? Weder noch, ergibt eine genauere Recherche.

Die Wirklichkeit sieht vielmehr trauriger aus: „Die Zahl der problematischen Scheidungen nimmt zu“, sagt Britta Siegmund, Sprecherin des Vereins Humane Trennung und Scheidung (VHTS) und Anwältin mit Schwerpunkt Familienrecht in Berlin.

Die Abnahme der Scheidungszahlen um 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr hänge nämlich „vor allem mit einem Rückgang der Eheschließungen in den entsprechenden Jahrgängen zusammen“, erklärt auf Anfrage ein Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes.

Ein Großteil der Scheidungen erfolgt nach drei bis elf Ehejahren. Wer sich heute scheiden lässt, hat also oftmals zwischen 1994 und 2002 geheiratet.

Genau in dieser Zeit aber sank die Zahl der Eheschließungen kontinuierlich, „wohl auch aus demografischen Gründen“, so der Statistiker.

Es gibt also, wenn überhaupt, nur einen klitzekleinen Trend: Im Jahre 2005 kamen auf 1.000 bestehende Ehen nur noch 10,9 Scheidungen. Im Jahr davor waren dies noch 11,46 Scheidungen gewesen.

Ein anderer Wert fällt da schon mehr ins Gewicht. Im Jahre 2005 stellten in 56 Prozent der Fälle die Frauen und in 37 Prozent der Fälle die Männer die Scheidungsanträge. In den übrigen Fällen beantragten beide Gatten die Auflösungen der Ehe. Dieser Anteil der von beiden eingereichten Scheidungen ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Aber nicht, weil jetzt die Partner gemeinsam zum Anwalt schreiten. „Man kann nicht gemeinsam eine Scheidung beantragen“, erläutert Anwältin Siegmund. Der Trend bedeute vielmehr, dass sich immer häufiger sowohl die Frau als auch der Mann einen eigenen Rechtsbeistand nehmen und über diesen die Papiere einreichen lassen.

Siegmund macht daher zwei Trends aus: Einerseits gebe es zunehmend Scheidungen, wo keine Kinder vorhanden seien und kein Geld zu verteilen sei und die deshalb relativ problemlos verlaufen. Andererseits aber nehmen auch die schwierigeren Trennungsfälle zu – solche, in denen hart gekämpft werde.

„Meist geht es um das Umgangsrecht mit den Kindern und um Geld, ganz häufig um die Frage, was etwa mit einer überschuldeten Immobilie geschehen soll“, so die Anwältin. Die Tatsache, dass die wirtschaftliche Situation vieler Scheidungsgegner heute eher angespannter ist als früher, gibt dem Streit noch zusätzlich Zunder.

Ganz oben auf der Zoffliste aber steht der Umgang mit den Kindern. Seit 1998 gilt zwar bei einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall. Die hässlichen Streitereien ums Sorgerecht, die früher automatisch mit jedem Ehe-Aus einsetzten, sollten so gar nicht erst ausbrechen.

Der Hass und die Verletzung der Ehepartner suchen sich jetzt aber eine andere Bahn – und drehen sich deswegen um das potenziell kontroverse Thema der Aufteilung des Umgangs mit dem Kind. „Die Problematik hat sich auf die alltägliche Gestaltung des Umgangs verlagert“, erzählt Siegmund.

So werfen Väter den Müttern häufig vor, den Umgang mit dem Kind zu erschweren, etwa indem das Kind am Wochenende oft andere Termine hat. Mütter wiederum beklagen, dass sich Väter nicht an die Verabredungen halten. Bei der Aufteilung der Ferien „streiten sich die Ex-Partner darüber, ob eine Hälfte der Ferien schon am Freitag oder erst am Sonntag zu Ende ist“, schildert Siegmund.

Nicht selten wollen die ehemals Verliebten nach dem Scheitern der Beziehung überhaupt keine Kontakte mehr zu ihrem Ex pflegen. „Da gibt es Zweijährige, denen wird dann der Rucksack umgeschnallt und sie werden allein durchs Treppenhaus nach unten geschickt, wo der Vater zur Abholung wartet“, berichtet die Anwältin.

Aus der Beratungs- und Vortragsarbeit im Verein weiß Siegmund, dass es gerade für kleine Kinder „am besten ist, einen festen Lebensmittelpunkt zu haben“. Selbst die im Zuge der Gleichheit mitunter praktizierte gleichmäßige tage- oder wochenweise Aufteilung der Betreuung zwischen den Eltern entspreche nicht der kindlichen Seele, die sich „ein Zuhause“ wünsche, wo sich Vater und Mutter wenigstens ab und zu auch mal treffen.

Doch um das Kindeswohl geht es leider meistens nicht. Siegmund: „Übers Kind tragen die Partner nur ihren Krieg aus.“