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Archiv-Artikel

Profiteur der Klimawende

Bastian Swillims erläuft bei der Hallen-EM Silber über 400 Meter und ärgert sich doch ein wenig

AUS BIRMINGHAM SUSANNE ROHLFING

Es war an der Zeit für den Trikotwechsel. Nachdem ihm im Vorlauf ein schneller Start „einfach so passiert war“, ganz ohne Absicht, und nachdem er im Zwischenlauf seine erst vor zwei Wochen aufgestellte Bestleistung trotz eines trudelnden Ausgalopps über die Ziellinie noch einmal verbessert hatte, war in Bastian Swillims die Zuversicht gereift, im 400-Meter-Finale der Leichtathletik-Hallen-EM in Birmingham nach Gold zu greifen. Dafür zwängte er seinen 1,92 Meter langen, austrainierten Körper in einen eng anliegenden Ganzkörperanzug. „Ich habe immer gesagt: Wenn ich sauschnell bin, ziehe ich den an“, erklärt er später – nachdem er die zwei Hallen-Runden erneut schneller gelaufen ist als jemals zuvor und in 45,62 Sekunden doch nur Zweiter wurde hinter dem irischen Titelverteidiger David Gillick, der in 45,52 Sekunden einen Landesrekord aufstellte.

Der Schweiß perlt Bastian Swillims von der Stirn, den engen Anzug hat er längst geöffnet, um an Hals und Brust Luft unter die zweite Haut aus Polyester zu lassen. „Ich hätte gedacht, dass so eine Zeit für Gold reicht“, sagt der Wattenscheider und meint seine eigene. Die ersten 200 Meter ist er so schnell angegangen wie noch nie zuvor. Es gelang ihm, nach einer Runde vor Gillick und dem später drittplatzierten Briten Robert Tobin (46,15) auf die Innenbahn zu ziehen und das Rennen von der Spitze aus zu bestreiten. Doch der Ire hielt dagegen. „Swillims ist so hart angegangen, ich musste nur bei ihm bleiben und warten, ich wusste, dass ich ihn auf den letzten 50 Metern kriegen würde“, sagt der alte und neue Europameister.

So kam es. Und Swillims blieb nur, nach Gründen zu suchen, warum es für ihn nicht Gold geworden ist. „In der letzten Kurve habe ich den Speed zu spät hochgezogen.“ Mehr fiel ihm nicht ein. Wie auch. Nach drei guten Rennen innerhalb von zwei Tagen, in denen er zweimal Bestzeit gelaufen war, konnte sich der 24-Jährige kaum Vorwürfe machen.

Warum es so gut läuft für ihn in dieser Hallensaison, dafür hat Swillims gleich mehrere Begründungen. Zum einen sind da der Klimawandel und Orkan „Kyrill“, die dem Sportsoldaten hilfreich zur Seite gestanden haben. Weil Kälte, Schnee und Eis ausblieben, konnte er mehr als sonst draußen im Wald Tempoläufe am Berg machen. Und weil „Kyrill“ auf seinem Hausberg allerlei Bäume umwarf, musste Swillims („Ich bin ja kein Hürdenläufer“) den Berg wechseln. „Die neue Strecke war steiler und hat mir offensichtlich eine gute Härte für die letzten 100 Meter gegeben“, sagt er. An seiner Sprintfähigkeit für die ersten 100 Meter hat er mit seinen Trainern ohnehin verstärkt gearbeitet.

Und dann ist da noch die Kooperation mit dem Leverkusener Ex-Europameister Ingo Schultz. Zweimal in der Woche ist gemeinsames Training angesagt. „Wir ergänzen uns prima, es hilft ungemein, wenn man nicht immer alleine laufen muss“, erklärt Swillims. Der dritte Baustein im Erfolgsunternehmen des Wattenscheiders: Kleinarbeit. Nach der letzten Hallensaison begann er mit seinen Physiotherapeuten, eine Muskelschwäche im Rücken und Disbalancen in der Fußmuskulatur anzugehen. „Diese kleinen Muskeln, die man oft vernachlässigt, geben einem Stabilität“, sagt er.

Trotz der kleinen Enttäuschung über das verpasste Gold in Birmingham bleibt Swillims zuversichtlich. „Auch draußen ist es wichtig, dass man schnell angehen kann“, sagt Swillims dann auch. Deshalb blickt er jetzt der Hürde WM-Qualifikation optimistisch entgegen, die geforderten 45,55 Sekunden sollten für den Junioren-EM-Dritten von 2001 jetzt unter freiem Himmel drin sein. Ob er dann im Sommer wieder seinen langen Polyester-Anzug auspackt, scheint allerdings fraglich. Im japanischen Osaka wird es Ende August ja doch recht warm sein.